Hamburg. In den schwarzen Würfel an der Hongkongstraße 8 ist die Zukunft eingezogen: Wir sehen ein Mini Cargo Bike, das sich allen Bedürfnissen einer modernen Familie anpassen kann, und Möbelstücke, die statt Autos Parkstreifen und Gehwege bevölkern und zum Miteinander einladen. Ein Klima-Quartett macht jedem Spieler die Konsequenz einer Urlaubsreise oder Freizeitgestaltung klar, und mit der Software „House of All“ kann man sich aus alternativen und lokalen Textilstoffen seine eigene, nachhaltige Kleidung entwerfen.
Die zehn Prototypen, die aktuell im designxport ausgestellt sind, wurden gerade mit dem „Silberstreifen Award“ ausgezeichnet. Es ist das erste Mal, dass dieser Preis gestalterische Lösungsansätze für soziale, ökonomische und ökologische Herausforderungen würdigt. Und es ist auch das erste Projekt der neuen Leiterin: Frances Uckermann.
Bis 2018 war Babette Peters die Leiterin
Die gebürtige Berlinerin studierte Freie und Visuelle Kunst in Kassel, arbeitete nach einem längeren Aufenthalt in New York mal freiberuflich, mal fest angestellt für verschiedene Hamburger Verlage, war Art-Direktorin bei „Allegra“ und „Zeit Wissen“ und zuletzt Kreativdirektorin bei „Stern“, wo sie für alle Aktivitäten der Marke verantwortlich war.
Den designxport kennt Frances Uckermann von vielen Veranstaltungen, an denen sie teilweise auch mitgewirkt hat. 2012 wurde das 700 Quadratmeter große Zentrum eröffnet und bis 2018 von Babette Peters geleitet. In der breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen als Kraftwerk der Hamburger Designszene, die mit etwa 12.000 Beschäftigten als Mode-, Web- oder Produktdesigner einer der vier großen Teilmärkte der Kreativwirtschaft ist, wurde er bislang nicht.
Für Frances Uckermann eine Herausforderung, der sie sich gern stellt. Als sie die Stellenausschreibung zum ersten Mal las, steckte sie gerade mitten in einem großen Projekt. „Aber ich dachte doch immer wieder darüber nach, mit welchen Ideen ich mich für diese großartige Aufgabe bewerben könnte“, sagt die 54-Jährige. So entstand ein Konzept, das die Hamburg Kreativ Gesellschaft, Trägerin des designxport, überzeugte. Nach mehreren Präsentationen per Videochat wurde sie als Chefin bestätigt.
Hamburg kann sich als Designstadt etablieren
Der enge Austausch mit Kollegen ist ihr sehr wichtig. Sie ist begeisterungsfähig und eine eifrige Netzwerkerin, die den Kontakt zu Hochschulen, Kreativagenturen, Designbüros, Soloselbstständigen und Unternehmen sucht. „Ich sehe uns als zentralen Ort für die Designbranche, die interdisziplinär an den Zukunftsideen für die Stadt mitarbeitet. Mobilität, Nachhaltigkeit, Bürgerbeteiligung – es gibt viele Bereiche, in denen Hamburg sich als Designstadt etablieren könnte, die auch international wahrgenommen wird.“
Eine Idee, die sie unbedingt realisieren will, ist eine Design-Woche mit Veranstaltungen über die gesamte Stadt verteilt, bei der sich Kreative mit ihren Projekten vorstellen können. Im designxport selbst geht es darum, den Ort zu bespielen und zu kuratieren. Das Format „Wer/Wie/Was!“, bei dem sich Kreativschaffende austauschen, Ausstellungen und Panel-Diskussionen wie „Designing a Post-Pandemic World“ sollen das Angebot, das künftig nicht nur auf der Internetseite, sondern auch wie bei Programmkinos an der Außenfläche plakatiert werden soll, bestimmen.
„Wir alle wurden von Corona vor große Herausforderungen gestellt, für die Design ein ganz wichtiger Teil der Lösung werden kann“, sagt Frances Uckermann. Durch Abstandsregeln, Hygienepflicht und Veränderungen in der Arbeitswelt ergäben sich viele neue Aufgaben: Wie sehen die Hotels und Restaurants der Zukunft aus? Wie trennt man im Homeoffice Arbeit und Privates? Wie kann in Bussen und Bahnen die Gesundheit von Fahrern und Fahrgästen gewährleistet werden? Und wie kann Bürgerbeteiligung attraktiver und einladender werden? „Bei aller Tristesse und Angst ist das doch auch für alle, die mit Gestaltung zu tun haben, eine spannende Zeit, in der vieles neu gedacht und gemacht werden muss.“
Sie hat keine Hobbys, dafür aber viele Interessen
„Design ist alles, alles ist Design“. Letzten Endes läuft doch alles auf das bisher gültige Motto des designxport hinaus, oder? Der universelle Anspruch gefalle ihr, sagt die Spezialistin für Editorial Design im Art Directors Club (ADC). „Gleichzeitig braucht das Motto aber wahrscheinlich eine Präzisierung, durch die man sich noch besser vorstellen kann, was hier passiert.“ Daran wird also noch gefeilt werden im Team. Was macht gutes Design denn eigentlich aus? „Es bietet konkrete und einfache Lösungen für komplexe Herausforderungen. Es ist clever und nachhaltig gedacht. Aber natürlich geht es bei gutem Design auch um Klarheit und Schönheit. Design muss erlebbar sein.“
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Design als Hobby? Das entfacht erstmal eine Diskussion über Begrifflichkeit und Bedeutung. „Ich habe kein Hobby, eher Interessen, davon aber viele. Ich bin grundsätzlich sehr neugierig. Auf Design und Kunst natürlich, aber auch auf viele andere Themen. Die Bücher- und Zeitschriftenstapel bei mir zu Hause sind riesig. Und dann leben wir natürlich gerade in sehr aufregenden Zeiten. Mein Medienkonsum ist schon ein bisschen extrem. Ich komme eben aus dem Journalismus, das wird man sicher nie ganz los.“
Inspiration und Erholung findet Frances Uckermann im Grindel, wo sie mit ihrer Familie lebt, „sich Großstadtgefühl mit Vertrautem paart“. Bei Wind und Wetter ist sie mit dem Rad unterwegs. Sie mag die Deichtorhallen, das Museum für Kunst und Gewerbe, die Galerien in der Admiralitätstraße. „Orte, an denen man sich mit Menschen über ein weites Feld austauschen kann.“
„Silberstreifen Award 2020“ bis 20.9., designxport (U Überseequartier), Hongkongstraße 8, täglich 13.00–18.00, Eintritt frei, www.designxport.de
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