Paris. Die César-Verleihung an Polanski hat Frankreichs Filmwelt noch mehr gespalten. Die Szene kommt nicht zur Ruhe. Wird die erhoffte Erneuerung gelingen?

Die diesjährigen César-Filmpreise hätten als Anfang eines Neubeginns in die Annalen eingehen können. Stattdessen haben sie die Filmwelt noch tiefer gespalten. Trotz "MeToo"-Debatte und anhaltender Proteste gegen den Film "Intrige" von Roman Polanski hat der französisch-polnische Regisseur am Freitagabend den Preis für die beste Regie bekommen.

Schauspielerin Adèle Haenel nannte die Vergabe eine Schande. Leinwandstar Fanny Ardant freute sich für Polanski und machte daraus keinen Hehl. Sie verstünde, dass nicht alle damit einverstanden sind, aber sie möge keine Verurteilung.

Auch für Frankreichs Kulturminister Franck Riester war der Preis für Polanski ein schlechtes Zeichen vor dem Hintergrund der "MeToo"-Debatte. Er kenne die Qualitäten des Künstlers durchaus an, ihm aber den Regiepreis zu geben, bedeute, dass man ihn als Person feiere, sagte er dem Radiosender "Europe 1".

Dem Regisseur Ladj Ly, der für sein Sozialdrama "Die Wütenden" die Trophäe für den besten Film gewann, war die Freude auf den Sieg verdorben. Denn nach dem Regie-Preis verließen aus Protest Zuschauer die 45. Verleihung der renommierten französischen Filmpreise, darunter auch die 31-jährige Haenel, die in Frankreich die "MeToo"-Debatte angestoßen hat, die in ihren Augen das Land verschlafen hat.

Sie selbst hatte Anklage gegen den Regisseur Christophe Ruggia erhoben. Sie beschuldigt ihn, sie als Minderjährige beim Dreh zu ihrem ersten Film "Les Diables" (Kleine Teufel) wiederholt sexuell belästigt zu haben. Haenel selbst war als beste Schauspielerin für "Porträt einer jungen Frau in Flammen" nominiert. Der Film von Céline Sciamma spielt im 18. Jahrhundert und handelt von einer Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen. Er hat in Cannes 2019 die Auszeichnung für das bestes Drehbuch gewonnen.

Viele hatten gehofft, dass die Zeremonie nach den Protesten gegen die 12 Nominierungen des Polanski-Films doch noch zu einem Fest werden könnte. Denn Mitte Februar trat die über 20-köpfige César-Akademieführungsspitze geschlossen zurück, "um diejenigen zu ehren, die 2019 Filme gemacht haben, ... um die Gelassenheit zurückzugewinnen und damit das Fest des Films ein Fest bleibt". Der Akademie gehören insgesamt 4700 Mitglieder an, die Mitspracherecht haben. Die Führungsspitze soll nach der Zeremonie neu gewählt werden.

Das Historiendrama (im Original: "J’accuse") des 86-jährigen Polanski erhielt insgesamt drei Auszeichnungen, auch für die beste Literaturverfilmung und die besten Filmkostüme. Der Film handelt von dem jüdischen Offizier Alfred Dreyfus, der 1894 zu Unrecht wegen Landesverrats verurteilt worden war. Die Dreyfus-Affäre war einer der größten Justizirrtümer Frankreichs. Bei der Verleihung war weder der französisch-polnische Regisseur anwesend, noch das restliche Filmteam.

Der Siegerfilm "Die Wütenden", der zusammen mit "Intrige" als Favorit ins Rennen ging, erhielt vier Auszeichnungen, darunter den Preis des Publikums. Das Drama beschreibt den Alltag und und die Gewalt in einem Pariser Vorort. Der Film wurde in Cannes 2019 mit dem Preis der Jury ausgezeichnet und hat in Frankreich bisher mehr als 2 Millionen Besucher ins Kino gelockt.

Der Preis als bester Schauspieler ging an Roschdy Zem für den Krimi "Roubaix, une lumière" von Arnaud Desplechin, die Trophäe als beste Darstellerin an die 32-jährige Anaïs Demoustier für "Alice et le Maire" von Nicolas Pariser mit Fabrice Luchini. Fanny Ardant erhielt für "Die schönste Zeit unseres Lebens" von Nicolas Bedos die Auszeichnung als beste Nebendarstellerin.

Die vierfach oscarprämierte Gesellschaftssatire "Parasite" des südkoreanischen Regisseurs Bong Joon Ho gewann den César als bester Auslandsfilm. Dieses Jahr wurde kein Ehren-César vergeben, der gewöhnlich an einen Hollywoodstar geht. Laut der Tageszeitung "Le Parisien" soll der amerikanische Schauspieler Brad Pitt zunächst zugesagt haben, bevor er sich zurückgezogen haben soll.