Mal was anderes: Nach seinen mehr oder weniger autobiografischen Büchern „Risiko des Ruhms“ (2000), „Dorfpunks“ (2004), „Sternstunden der Bedeutungslosigkeit“ (2007), „Tag der geschlossenen Tür“ (2011) und „Fünf Löcher im Himmel“ (2016) legt Rocko Schamoni mit „Große Freiheit“ eine Art Historienroman vor, ein Porträt des Hamburger Rotlichtmilieus der 60er-Jahre und einer ihrer schillerndsten, heute weitgehend vergessenen Persönlichkeiten: Wolfgang Köhler, seinerzeit auch „Wolli Indienfahrer“ genannt.

Schamoni, als Musiker, Schauspieler, Studio-Braun-Komiker und Mitbetreiber des Golden Pudel Clubs selbst durch und durch Sankt Paulianer, begleitete den 2017 verarmt gestorbenen Wolli in seinen letzten Lebensmonaten, in denen dieser seine Wohnung in Rissen nicht mehr verließ. Wollis Erinnerungen und zeitgenössische Überlieferungen wie Hubert Fichtes 1978 erschienene Interview-Sammlung „Wolli Indienfahrer“ (1978) halfen bei Schamonis Beschreibung der Entwicklung der Reeperbahn und ihrer Seitenstraßen am Beispiel dieser Legende. Nach diversen Gelegenheitsjobs in Chemnitz, Berlin und Marl arbeitete Wolli sich auf dem Kiez als Dealer, Nachtclub-Portier und Sexfilm-Conférencier bis zum Bordelletagen-Mieter im „Palais d’Amour“ hoch und erlebte persönlich den Aufstieg der Beatles und die Entstehung der Pop-Jugendkultur, aber auch die intellektuelle Boheme dieser Zeit. Er war dabei, als das Dunkel der Kiez-Halbwelt vom Glitzer der Stars wie Little Richard und Profiboxer Norbert Grupe ausgeleuchtet wurde.