Hamburg. Als der in Barmbek beheimatete Felix Meiner Verlag vor einigen Jahren seinen 100. Geburtstag feierte, kündigte sein damaliger Chef Manfred Meiner zumindest schon mal vorsichtig einen Stabswechsel an. Eine gewisse Zeit hat es aber doch noch gedauert, ehe die Geschicke über den Philosophie-Verlag an seine Söhne übergingen. Bis zum 1. Januar 2019, um genau zu sein. Seitdem ist Johann Meiner, Jahrgang 1985, Meiner-Geschäftsführer und Jakob Meiner, Jahrgang 1982, Leiter von Vertrieb und Marketing. Die Meinung des Vaters, der weiter als Verleger in Erscheinung tritt, ist beiden wichtig, erklärt Johann Meiner im Gespräch mit dem Abendblatt.
Hamburger Abendblatt: Sie haben zum Jahreswechsel gemeinsam mit Ihrem Bruder Jakob das operative Geschäft des Felix Meiner Verlags übernommen. Ein mehr als 100 Jahre alter Verlag, seit drei Generationen in Familienhand - da konnte die vierte wohl gar nicht nein sagen?
Johann Meiner: Konnte schon, wollte aber nicht. Da spielt die familiäre Prägung gewiss eine Rolle, nicht zuletzt, weil wir auch mütterlicherseits – unser Großvater war Schriftsteller – immer viel mit Verlagen zu tun hatten. Unser zentraler Beweggrund rührt jedoch eher aus unserer Überzeugung, dass man der grassierenden Unvernunft unserer Zeit am besten mit radikaler Aufklärung und einer gehörigen Portion Idealismus entgegentritt – zwei Stichworte, die eng mit dem Felix Meiner Verlag verknüpft sind.
Sie haben sich bei Meiner und anderswo in der Verlagsbranche jahrelang auf den Job vorbereiten können. Was ist das Wichtigste, das Sie aus diesen Lehrjahren mitgenommen haben?
Drei Dinge: Wer die Zukunft einer Branche im Wandel mitgestalten will, muss ihre Vergangenheit gut kennen. Er darf aber vor ihr nicht in Ehrfurcht erstarren, sondern muss immer bereit sein, den jeweiligen Status kritisch zu hinterfragen. Schließlich kochen wir alle nur mit Wasser, wobei dasselbe Wasser, das Eier hart kocht, Kartoffeln weich kocht.
Wie muss man sich Ihr Elternhaus vorstellen? Hat Ihr Vater seinen Söhnen zum Einschlafen Kant und Descartes vorgelesen?
Aus eigener Erfahrung als Vater von zwei Töchtern weiß ich, dass man am liebsten vorliest, was man auch selbst versteht. Insofern hatten wir eine unbeschwerte Kindheit und sind über die Philosophie von Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer nicht hinausgekommen. Tatsächlich kann keine der vier Generationen von sich behaupten in der akademischen Philosophie geschult zu sein. Der einzige Meiner, der überhaupt einen Hochschulabschluss vorweisen konnte, war mein Urgroßvater Felix, und der promovierte in Volkswirtschaftslehre.
Meiner ist ein Fachverlag für Philosophie: Bei Ihnen erscheinen die klassischen Texte in neuen Editionen oder Kommentierungen. Das nennt man dann wohl Nischenprogramm - hat man da als Jungverleger trotzdem ein thematisches Pfund in der Hand beim Partygespräch?
Das kommt auf die Party an. Häufiger muss ich erläutern, wie Verlage in heutigen Zeiten überhaupt überleben können, wenn denn bekannt ist, was ein Verlag überhaupt macht. Im absoluten Notfall wäre es jedoch auch nicht gelogen zu behaupten, dass wir die Chefs eines Indie-Labels sind, dass vor allem Werke von Staatsfeinden, Ketzern und anderen völlig irren Punks veröffentlicht.
Bei Meiner geht es aufgrund der Verlagsausrichtung viel um Tradition. Inwiefern können Sie mit Ihrem Bruder neue Impulse setzen?
Tradition bedeutet für uns die Weitergabe des Feuers, nicht das Bewahren der Asche. Wenn wir nicht ständig neue Impulse setzten, würde unsere lodernde Flamme recht schnell verglühen.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei der Zukunftsplanung?
Wie überall ist die Digitalisierung Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite unterstützt sie unsere tägliche Arbeit in erheblichem Maße, sie ermöglicht - effizient eingesetzt - so manches Projekt, welches vorher unkalkulierbar gewesen ist und eröffnet uns weitreichende Vertriebskanäle und neuartige Geschäftsmodelle. Auf der anderen Seite birgt das oft bemühte Schlagwort von der Digitalisierung einen Rattenschwanz an Heilsversprechen, welche häufig überhaupt nicht oder nur zu einem sehr hohen Preis eingelöst werden können.
Wie wichtig ist brüderliche Harmonie für das Gelingen der Meiner-Unternehmung - und wie hilfreich ist ein eher zurückhaltend oder doch lieber offensiv beratender Vater, der ja weiter als Verleger in Erscheinung tritt?
Wenn mit Harmonie gemeint ist, dass wir beständig einer Meinung sind und keine Konflikte auszutragen hätten, dann hielte ich sie für eher kontraproduktiv. Mein Bruder und ich sind glücklicherweise ziemlich verschieden, sonst bräuchte es auch nur einen von uns. Was uns eint ist der Glaube an dieses Unternehmen und der Wunsch, die Zukunft des Verlages als Familienunternehmen zu gestalten. Dass wir dabei oft unterschiedlich vorgehen, bietet immer wieder Anlass, unser jeweiliges Tun zu hinterfragen und voneinander zu lernen. Unser Vater ist immer dann am hilfreichsten, wenn er uns zuerst intensiv berät und dann alleine machen lässt.
Ihre Kundschaft besteht hauptsächlich aus Bibliotheken und Geisteswissenschaftlern. Schon mal versucht, jemandem aus halbwegs anderem Milieu einen Titel aus Ihrem Programm schmackhaft zu machen?
Aber wozu? Einem Kleingärtner dreht man als ehrbarer Kaufmann doch auch keinen Unimog an. Selbstverständlich freuen wir uns außerordentlich, wenn sich jemand aus dem nichtakademischen Bereich profund mit philosophischen Inhalten auseinandersetzen möchte und haben zu diesem Zweck auch die richtigen Bücher im Programm. Unsere Produkte stärker auf diese Zielgruppe auszurichten, würde unser Alleinstellungsmerkmal vor der Fachwelt jedoch empfindlich stören.
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