Hamburg. Nach der dritten Zugabe erhoben sich die Zuhörer im Großen Saal der Elbphilharmonie und applaudierten im Stehen, mehr als zweieinhalb Stunden lang hatte sich der Tenor Juan Diego Flórez da schon in ihre Herzen gesungen, jetzt gerade hatte er seiner Frau zum zehnten Hochzeitstag das Lied „Deine Liebe ist mein ganzes Leben“ gewidmet und sich selbst dazu auf der Gitarre begleitet, gefolgt von einem Volkslied aus Flórez’ Heimat Peru. Das war er, der Höhepunkt eines Abends, der an und für sich ganz ohne Spannungskurve auskam, weil er aus nichts bestand als einem einzigen langen Moment, ein Gefühlsausbruch vom ersten Ton bis zum letzten, wie immer bei Programmen, die aus den Filetstücken der großen italienischen und französischen Oper bestehen.
Ein Konzert wie ein Bad in einem Bottich aus Nachtisch: Mozart, Gluck, Donizetti, Massenet, Verdi. Und Flórez gelang ein doppeltes Kunststück: zum einen alle Werke souverän zu singen, mit schlanker Stimme, die strahlt, ohne das leise Leuchten einzubüßen. Und mit dieser Stimme zum anderen auch dem Abend doch noch eine Dramaturgie zu verleihen – man konnte sich an der Musik besaufen, man war aber auch bestens unterhalten, wenn man mit klarem Kopf zuhörte. Und mehr als beste Unterhaltung erwartete hier heute auch niemand.
Sicher, man muss fragen dürfen, ob es tatsächlich solche Programme sind, für die die Elbphilharmonie gebaut wurde: bestehend aus einer Aneinanderreihung von Bewährtem, dargeboten von einem Klangkörper, der die akustischen Finessen des Saals nicht gerade in jedem Takt auszureizen in der Lage war, und einem Solisten, der im Gegensatz dazu auch in einer Scheune die Herzen zum Fliegen brächte. Man muss darauf dann aber auch antworten dürfen: Wofür, wenn nicht auch dafür. Ein Konzert, das seinen Zweck, sich auf dem Heimweg ein bisschen glücklicher zu fühlen als auf dem Hinweg, genau erfüllte. Und eben auch den Zweck, Lust zu machen. Auf mehr.
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