Hamburg. Erlebnisse im Kindes- und Jugendalter, sie prägen. Jan-Christof Scheibe lernte schon als Dreijähriger Singen und Klavierspielen. Sein Vater Karl-Günther war Kantor an der Christuskirche in Othmarschen, seine beiden Großväter waren Pastoren. Beinahe zwangsläufig wurde der Junior Mitglied eines evangelischen Kinderchores, sammelte kirchliche Backstage-Erfahrung.
Die hat der Hamburger Künstler lange Zeit anderweitig genutzt: Mitte der 80er-Jahre spielte er Keyboard in der Popgruppe Channel Five, in den 90ern textete, komponierte und spielte er für die bayersche Entertainerin Sissi Perlinger, ehe der Musiker, Arrangeur und Schauspieler selbst zum Solo-Entertainer wurde. Nach zwei Jahrzehnten ist Scheibe, der derzeit gleich fünf Programme im Repertoire hat, Hamburgs Musik-Comedian Nummer eins.
Im zarten Alter von 54 Jahren hat das Multitalent nun sein erstes Buch geschrieben, ein autobiografisch gefärbtes: „Ogottogott – Wie glaubt man und wenn ja, warum?“ führt die Erfahrungen seiner frühen, kirchlich geprägten Jahre fort. Wie es der Titel nahelegt, geht es um Gott, primär jedoch nicht um das so oft missbrauchte und fehlinterpretierte Thema Religion und deren Auslegung, sondern um Glauben. Da macht Scheibe einen kleinen, aber feinen Unterschied.
Er zeigt die sinnlose, aber auch spannende Suche nach Gott
Bereits vor der Uraufführung seines Programms „Ogoddogott“ (mit Doppel-d!) im Herbst 2016 hatte Scheibe derart viel Material zusammengetragen, dass ihm die Buchidee kam. Suchte der „Stuntman des Glaubens“ auf der Bühne den Weg aus der religiösen Beziehungskrise mit 15 neuen Songs und Figuren wie einem US-TV-Prediger oder dem esoterisch angehauchten „Arne, der Schamane“, geht er seinem Schriftwerk tiefer.
Auf fast 260 Seiten zeigt Scheibe in sieben Kapiteln, wie sinnlos, aber auch spannend die Suche nach Gott geraten kann. Diese Abschnitte reichen von „Gott ist weg“ mitsamt kirchlicher Herkunft, Konfirmation und pubertärem Streich des Ostereier-gegen-Schokoweihnachtsmänner-Vertauschens vor der Kirche bis zu den „Gemeinsamkeiten der Religionen“, dem siebten Kapitel. Scheibes Schreibe ist flott, auch frech, durchaus fundiert und wortwitzig, manchmal auch nachdenklich, nie despektierlich. „Wunder können wir nicht so gut, wir Protestanten. Übers Wasser gehen kann ich nur, wenn ich vorher zu Hause feucht übergewischt habe“, formuliert er. Die Vorteile? „Wir Evangelen haben zum Beispiel eine friedliche Fankultur, wir sind keine Glaubens-Hooligans wie Islamisten, die wahllos draufhauen auf Leute mit anderen Fanschals.“
Jedoch sind Islamisten nicht gleichbedeutend mit dem Islam. Eine Rangliste aufzustellen für die Weltreligionen, davor hütet sich Scheibe beim Forschen in deren Abgründen: Egal ob Christentum, Islam, Hinduismus, Judentum oder Buddhismus. Scheibe bleibt ein Zweifler auf der Suche nach neuen Ansätzen. Der Fußballsprache bedient sich der „Protestant mit ruhender Mitgliedschaft“, wie sich der Gelegenheits-Kirchgänger selbstironisch nennt, immer mal wieder. Auch wenn er über sein „ideales Christentum“ schreibt, indem er etwa eine „bessere Schulung des spirituellen Führungspersonals“ anregt.
Das angenehm Anregende bei Scheibe: Es muss weiß Gott keiner Sorge haben, bekehrt zu werden – weder als Leser noch als Theaterbesucher.
Buch: „Ogottogott – Wie glaubt man und wenn ja, warum?“ (Gütersloher Verlagshaus, 256 Seiten, 18 Euro)Bühne: „Ogoddogott“ wieder Di 10.4., 20.00, Imperial Theater (U St. Pauli), Reeperbahn 5, Karten zu 20,-; T. 31 31 14; www.scheibe.de
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