Hamburg

Mit Liebeswasser gefügig gemacht

| Lesedauer: 3 Minuten
Marcus Stäbler

Im Allee Theater hatte Vivaldis Oper „Orlando furioso“ Premiere

Hamburg.  Mit ihrem oft nur schwer durchschaubaren Intrigengeflecht und der mitunter etwas starren Handlung sind barocke Opern eine Herausforderung für jede Neuproduktion. Das Allee Theater hat sie angenommen und zeigt Vivaldis „Orlando furioso“ in einer Inszenierung, die diese Fremdheit gar nicht erst verheimlicht, sondern zum Teil der Erzählung macht. Regisseur Andreas Franz und sein bewährtes Team deuten die historische und inhaltliche Distanz zum Stück über den rasenden Roland und die Ränkespiele der liebessüchtigen Zauberin Alcina auf mehreren Ebenen an.

Einerseits beschwören die Frisuren, die Brustpanzerimitate und die goldfarbenen Details an Kleidern und Schuhen (Bühnen- und Kostümbild: Kathrin Kegler) eine Art Pseudo-Antike; andererseits bewegen sich die Figuren mit einer gezierten Eleganz, die von barocken Tänzen inspiriert ist (Choreografie:
Catrin Smorra), als hätte der Regisseur klassischen Statuen Leben eingehaucht, sie vom Sockel gehoben und in die höfische Welt des 18. Jahrhunderts verpflanzt. Die mehrfache Brechung spiegelt sich auch in der Sprache, deren gestelzten Ton die deutsche Textfassung (Barbara Hass) süffisant überspitzt und dadurch ironisiert.

Trotz dieser schlüssigen Ansätze, und trotz einiger griffiger Pointen, etwa bei den grabschfreudigen Damen, dauert es ein Weilchen, bis die Inszenierung richtig in Fahrt kommt. Weil das lebendige Miteinander im Ensemblespiel – das den Charme so vieler Produktionen am Allee Theater ausmacht – zu Beginn noch von etwas zähen Soloauftritten unterbrochen wird. Erst gegen Ende des ersten Teils ist das Geschehen so verdichtet, dass es dem Zauber der Musik entspricht: Als die dauerlüsterne Alcina den Ritter Ruggiero mit Liebeswasser aus einem magischen Brunnen gefügig macht und ihn wie an unsichtbaren Marionettenfäden lenkt. Ettore Prandi leitet die Aufführung vom Cembalo aus und hat die Partitur mit der gewohnten Sorgfalt für die Kammergröße des Allee-Theater-Ensembles eingedampft. Mit der Verbindung von Streichern und Flöte (großartig: Melanie Sobieraj) setzt er auf eine helle Klangmischung, als Grundlage für die fast durchweg ansprechend besetzten Vokalpartien der Oper.

In der Mezzosopranistin Feline Knabe als Alcina und dem Countertenor Joël Vuik als Orlando hat der Abend zwei Hauptdarsteller, die stimmliche Flexibilität und szenische Präsenz vereinen. Vuik nutzt den Umbruch vom baritonalen Sprechtimbre ins hohe Falsettregister sehr geschickt als Ausdrucksmittel, um das Abkippen in den Wahnsinn, in die Raserei der Eifersucht, gesanglich abzubilden. Ähnlich koloraturensicher und überzeugend singen und spielen Natascha Dwulecki als kokette Angelica, Maria Margarethe Brunauer als Bradamante und Robert Elibay-Hartog als Ruggiero.

„Orlando furioso“ nächste Termine: 2./7./9.3. um 19.30, Allee Theater, Max-Brauer-Allee 76, Karten ab 25,- unter T. 38 29 59

( Stä )