München. Der künftige ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm wirbt für eine länderübergreifende digitale Plattform der öffentlich-rechtlichen Sender in Europa. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland wäre zu klein, um ein solches Gegengewicht zu den großen Internetanbietern wie Google oder Facebook zu schaffen, sagte der Intendant des Bayerischen Rundfunks, der am 1. Januar den ARD-Vorsitz übernimmt, dem Evangelischen Pressedienst.
In den nächsten Jahren müsse Europa die Grundsatz-Entscheidung treffen, ob seine Vielfalt und kulturelle Besonderheit auch in der digitalen Welt erhalten bleiben solle, „oder ob wir lediglich Teil einer von den USA dominierten digitalen Weltgemeinde werden“, sagte der künftige ARD-Vorsitzende. Europa müsse zumindest eine Art „Plattform-Hoheit“ für Inhalte schaffen, regte Wilhelm an. Dazu gehöre auch die „Regulierungsfähigkeit“ bei Daten-, Jugend- und Persönlichkeitsschutz. Denn in diesen Bereichen klafften die Standards weit auseinander. „Während in den USA etwa Nacktheit als absolutes Tabu gilt, ist an Religions- oder Politikerbeleidigung dort so gut wie alles möglich.“
Wilhelm kündigt Einschnittein den Programmen an
Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur kündigte der neue ARD-Chef zudem Einschnitte im Programm an, falls der Rundfunkbeitrag nicht erhöht werde. „Es würden kurzfristig drei Milliarden Euro fehlen, die wir im Wesentlichen im Programm einsparen müssten“, sagte Wilhelm. „Jenseits des Programms, also bei Technik und Verwaltung zu sparen ist schon weitgehend ausgereizt, denn das tun wir seit Jahren.“ Der Rundfunkbeitrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio ist bis 2020 auf 17,50 Euro pro Haushalt im Monat festgelegt. Ob er danach steigt, steht noch nicht fest. Die Öffentlich-Rechtlichen verlangen einen Teuerungsausgleich.
Wilhelm forderte außerdem mehr Vielfalt in der Politikberichterstattung im Ersten. Die Talkshows seien zu dominant geworden. „Wir vernachlässigen dabei, was mit anderen Formaten zusätzlich möglich wäre. Mit Dokumentationen, Themenabenden, mit dem Ausleuchten großer Themenkomplexe.“ Die ARD müsse stärker daran arbeiten, nicht nur bestimmte Milieus abzudecken, sagte Wilhelm: „Die Probleme vieler Menschen finden in den unmittelbaren Tageserlebnissen von Journalisten nicht in dem Maße statt, wie es für die Bevölkerung repräsentativ wäre.“ Man müsse genau hinsehen, welche Themen den Menschen wichtig seien.
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