Hamburg. In den 1990er-Jahren spielten Fünf Sterne Deluxe mit Fettes Brot, Absolute Beginner, Eins Zwo und Dynamite Deluxe in der ersten Hip-Hop-Liga, gingen aber einige Jahre nach den Alben „Sillium“ (1998) und „Neo.Now“ (2000) getrennte Wege weiter. Jetzt haben Das Bo, Tobi Tobsen, DJ Coolmann und marcnesium mit „Flash“ ihr Comeback-Album vorgestellt. Wir sprachen die rappende Hälfte des Quartetts bei einem französischen Frühstück – Kaffee und Kippe – in einem Hotel in St. Georg.
Nach dem Hören von „Flash“ fühlt man sich doch ziemlich stoned. Es klingt eher entspannt, kein hohes Tempo, keine aufwendigen Arrangements. Die alte Schule.
Tobi Tobsen: Das ist richtig. Es ist musikalisch reduziert, und so soll das auch sein.
Das Bo: Ich würde es fokussiert nennen. Wir haben uns nicht von außen reinreden lassen, sondern einfach zusammen gesessen und unseren Gefühlen freien Lauf gelassen.
Tobi Tobsen: Wir wollten kein Album machen, das in zwei Jahren nach 2017 klingt. Ich nenne das zeitlos.
Kann man Textzeilen wie „bleibma logga, lassma chillen“ mit 40 noch glaubwürdig rappen?
Das Bo: So was kann man überhaupt erst ab 40 glaubwürdig rappen. Und wenn man mal einen Blick auf die Veränderung des Alltags und der Umwelt in den vergangenen 17 Jahren wirft, ist Entschleunigung ein Kernthema, das alle betrifft. Die Welt, die Medien, alle schreien einen an, und es ist schwer gerade für Kids, mal runterzukommen.
Tobi Tobsen: Ironischerweise haben wir auch einen Song „Entschleunigung“ genannt, aber der hat es nicht auf das Album geschafft.
Hat man denn mit 40 noch Zeit für Entschleunigung? Der Track „Regeln Machen Tun“ erzählt von Mieten, Steuern, Versicherungen, Butterstullen im Schulranzen, „Zweige häckseln, Windeln wechseln“.
Das Bo: Der Tobi hat schon immer drei Sachen auf einmal gemacht, der ist ’ne Maschine.
Tobi Tobsen: Wir haben uns auch deshalb Zeit für das Album genommen. Nicht mal hier eine Minute, da eine Minute eingeschoben. Sondern ganz bewusst Zeit miteinander verbracht. Weil sie kostbar geworden ist.
Es gab 2013 das „Beats auf der Bahn“-Festival, bei dem die Beginner und Fünf Sterne Deluxe neue Alben angekündigt haben. Fans dieser Hamburger Hip-Hop-Legenden freuten sich – und mussten noch drei und vier Jahre auf neue Lieder warten.
Das Bo: Wir haben ja nicht vier Jahre an „Flash“ gearbeitet, sondern in diesen vier Jahren an „Flash“ gearbeitet, wenn Familien und andere „Regeln Machen Tun“-Situationen es zuließen. Und wir sind stolz auf dieses Album und hoffen, dass es viele Leute flasht.
Hip-Hopper älterer Semester denken da an das „Flash“-Festival 2000 am Millerntor mit Deichkind, Eins Zwo, Fettes Brot, Dynamite Deluxe, Absolute Beginner und Fünf Sterne Deluxe. Warum ist die Sehnsucht nach diesen Zeiten noch so ausgeprägt? 2000 erschien auch euer letztes Album, 17 Jahre später erscheint „Flash“. Das sagt ja alles.
Das Bo: Ich hab in der Zeit zwei Alben veröffentlicht, aber das hat ja keiner mitbekommen. Ich verspüre da keine Nostalgie, es gab damals genug Momente, wo ich aus heutiger Sicht froh bin, dass die Scheiße vorbei ist.
Tobi Tobsen: Ich glaube allerdings schon, dass viele, die jetzt in den 30ern und 40ern sind, ihren Job und ihre Kinder haben, innerlich die 90er-Jahre wieder ausrollen und sich dahin zurücksehnen. Aber für uns ist das kein zentrales Thema.
Ihr seid ja auch nicht abgetaucht 2000, sondern wart immer aktiv. Bo hat seine Alben bereits angesprochen ...
Das Bo: Ich geh mal rauchen ...
… und Tobi hat mit Moonbootica für Furore gesorgt. Dennoch vermittelt der Albumtitel „Flash“ auch Nostalgie.
Das Bo: Nein. „Flash“ steht für Verspieltheit, Unbekümmertheit, pure Emotion. Dieses Gefühl ist heute, wo vieles so hierarchisch und konstruiert wirkt, bei vielen verloren gegangen.
Tobi Tobsen: Das lässt sich auch nicht mit dem Druck auf die Nostalgie-Taste wieder beleben.
Ein Element der damaligen Hip-Hop-Szene war ja der „Hamburch Ciddy“-Lokalpatriotismus. Die Stadt hat sich verändert.
Das Bo: Die Zukunft ist ja auch nicht mehr das, was sie mal war. Aber für mich ist Hamburg immer noch die Stadt, ich lebe ja mitten in der Schanze.
Tobi Tobsen: Ich könnte mir auch nicht vorstellen, woanders zu wohnen.
Das Bo: Natürlich sind Gentrifizierung und Verteuerung eingetreten, wovor schon vor 20 Jahren gewarnt wurde. Wir sind zwar keine politische Band, aber Hip-Hop, der eigentlich immer starken Einfluss auf Jugend, Kultur und Gesellschaft hatte, ist mittlerweile zu sehr mit sich selber beschäftigt. Früher gehörte man zu einer vereinten Randgruppe, heute ist jeder Einzelkämpfer in einem Wirtschaftszweig.
Aber Hip-Hop ist populärer denn je.
Das Bo: Ja, aber anders als früher. Man hört nicht mehr ausschließlich Hip-Hop, sondern aus jedem Genre das, was einem gefällt. Rap, Electro, Songwriter, Rock. Auf der anderen Seite wird zu selten gewürdigt, wie deutscher Hip-Hop unsere Sprache geprägt hat, weicher gemacht hat. Wir haben damals mit Haus-Maus-Reimen angefangen, da ist viel passiert seitdem.
Wenn man Jugendlichen in der Fußgängerzone Euer Album vorspielen würde, würden die mit dem Namen Fünf Sterne Deluxe und Eurer Musik etwas anfangen können?
Das Bo: Interessanter wäre es, denen „Flash“ vorzuspielen, ohne zu sagen, dass es von Fünf Sterne Deluxe ist.
Tobi Tobsen: Wir sind jedenfalls schon vielen begegnet, die über ihre Eltern oder ältere Geschwister mit unserer Musik aufgewachsen sind.
Fünf Sterne Deluxe: „Flash“ Album (Warner) im Handel, Konzerte: Di/Mi 19./20.12., Docks (U St. Pauli), Spielbudenplatz 19, ausverkauft
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