Konzert in Hamburg

Vermisst bei Neil Diamond: das Charisma von früher

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Neil Diamond (hier bei einem Auftritt in Glasgow) kennt den Soul

Neil Diamond (hier bei einem Auftritt in Glasgow) kennt den Soul

Foto: Ross Gilmore / Redferns/Getty Images

Der legendäre Musiker wird bei seinem Konzert in der Barclaycard Arena zum Bühnenjubiläum aber trotzdem gefeiert.

Hamburg.  Die 50 im Hintergrund der Bühne sagt es klar und deutlich. Hier wird gleich ein Jubiläum gefeiert: 50. Bühnenjubiläum. Der Jubilar kam 1941 im New Yorker Stadtteil Brooklyn zur Welt, seinen ersten Hit landete er 1966 mit „Solitary Man“. Als Neil Diamond aus dem Bühnenhintergrund nach vorn geht, wo seine akustische Gitarre erleuchtet wird, erhebt sich das Publikum in der fast ausverkauften Barclaycard Arena und spendet ihm einen warmen Begrüßungsapplaus. Diamond hängt sich seine Gitarre um und beginnt das zweistündige Konzert mit „In My Lifetime“. Begleitet wird er von einer famosen 13-köpfigen Band. Mit einigen der Musiker spielt er seit Jahrzehnten zusammen. Bei den ersten Songs zeigt sich, wie viel Soul in dieser Band und auch in einem Song wie „Cherry, Cherry“ steckt.

Klingendes Allgemeingut

Hinter dem New Yorker dreht sich ein überdimensionaler Diamant, der Bilder seines Lebens zeigt. Neil Diamond als Kind mit seinen Eltern, mit der ersten Gitarre, die er als 16-Jähriger geschenkt bekam, als junger Sänger und als gefeierter Entertainment-Star. Mehr als 125 Millionen Platten hat Neil Diamond verkauft, 2011 wurde er in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Seine größten Erfolge datieren aus den 60er- und 70er-Jahren, Neil Diamond hat es geschafft, Songs zu schreiben, die zu klingendem Allgemeingut geworden sind. Fast 30 Nummern hat er für sein Jubiläumsprogramm zusammengestellt, die meisten seiner größten Hits sind dabei. Vermisst werden nur „Kentucky Woman“ und „Girl You’ll Be A Woman Soon“, der in Quentin Tarantinos Film „Pulp Fiction“ noch mal groß heraus kam.

Angezogene Handbremse

Immer wieder erheben die Diamond-Fans sich von den Sitzen, klatschen den Takt mit oder wiegen sich zu den Hits wie „Song Sung Blue“, „Red Red Wine“ und im Zugabenteil bei „Sweet Caroline“ und „Cracklin’ Rosie“. Das Publikum huldigt seinem Idol, doch Diamonds Auftritt löst nicht gerade Euphoriestürme aus. Viele Nummern klingen, als würden sie mit angezogener Handbremse gespielt. Obwohl die Backing Band einen guten Job macht, fehlt es Diamonds Gesang an Magie. Er absolviert den Auftritt mit viel Routine. Vielleicht muss er inzwischen auch seinem Alter Tribut zollen. Die Energie eines Mick Jagger oder eines Roger Waters, die nur unwesentlich jünger sind als er, bringt er jedenfalls nicht mehr aufs Podium. Man kann einwenden, dass Diamond ja auch kein Rockmusiker sei, doch seine Studioaufnahmen haben deutlich mehr Esprit als seine aktuelle Live-Performance.

Die besten Momente hat der Abend immer dann, wenn Diamond Balladen vorträgt. „Solitary Man“, später ein Hit für Johnny Cash, gehört ebenso dazu wie „Both Sides Now“ aus der Feder von Joni Mitchell oder „Brooklyn Roads“, ein Song über den Stadtteil, in dem Diamond aufgewachsen ist und der ihn entscheidend geprägt hat. Doch das Charisma früherer Auftritte fehlt dem Singer-Songwriter an diesem Abend. Es gab schon bessere Jubiläen.

( oeh )