Hamburg

Intelligentes Spiel zwischen Kunde und Dealern

| Lesedauer: 2 Minuten
Heinrich Oehmsen

Im Thalia Gaußstraßehatte „Die Einsamkeit der Baumwollfelder“ Premiere

Hamburg.  Das Spiel stockt. Zehn Minuten lang hat Daniel Lommatzsch auf einen Mann in einer grauen Trainingsjacke eingeredet, von dem er glaubt, dass dieser ein Kunde sei und dem er einen Wunsch erfüllen könne. Doch der schüttelt nur den Kopf. „Sie sind es nicht?!“, fragt Lommatzsch. Er ist einer der fünf Verkäufer in Bernard-Marie Koltès’ Stück „Die Einsamkeit der Baumwollfelder“. Wie Lommatzsch sitzen die anderen Schauspieler verteilt auf zwei gegenüberliegenden Tribünen im Thalia in der Gaußstraße. Lommatzsch kennt den Kunden nicht und muss aus dem Spiel herausgehen und die Souffleuse bitten, den Text des Kunden zu lesen, da dieser sich nicht zu erkennen gibt. Der Deal, etwas zu kaufen, kommt nicht zustande. Genauso wenig wie die Verabredung, an diesem Spiel teilzunehmen.

Die Brasilianerin Christiane Jatahy hat Koltès’ Stück als Wechselspiel von Wirklichkeit und Theater inszeniert. Immer wieder treten Lommatzsch, Julian Greis, Franziska Hartmann, Tim Porath und Sandra Flubacher aus der Dealer-Rolle heraus – sie sind Teil eines theatralischen Prozesses. Jatahy hat Koltès’ Vorlage verändert, indem sie aus einem fünf Verkäufer gemacht hat. Sie unterhalten sich über die Psychologie des Verkaufens und der Wunscherfüllung und über das Verhältnis zwischen Verkäufer und Kunden. Koltès’ Text ist eine philosophische Auseinandersetzung mit dem kapitalistischen Wertesystem. Durch die Vervielfältigung des Personals bekommt der Text spielerische Möglichkeiten, er erfordert vom Zuschauer jedoch große Aufmerksamkeit. Die Sprache des 1989 gestorbenen französischen Dramatikers ist äußerst komplex.

Im zweiten Teil der einstündigen Aufführung outet sich der Kunde. Es ist ein Mann mit dunklem Teint, der – Arabisch? – zu sprechen beginnt. Kommunikation gibt es nicht, Lommatzsch übersetzt für alle, was der Mann sagt. Jatahy erweitert diesen Theater-Versuch um das Fremde. Der Kunde versteht die Sprache der Dealer nicht, er möchte keine Vertraulichkeit und keine Nähe. Er ist der Fremde, er hat Angst. Franziska Hartmann schüttelt seine Hand und sagt: „Ich habe eine gewisse Kälte gefühlt, aber auch seine Leiden gespürt.“

Nicht nur der Kunde fühlt sich unwohl in seiner Haut, auch die Dealer. Jatahy verdeutlicht das in ihrer intelligenten Inszenierung durch den arabischen Mitspieler, der bei jeder Aufführung von jemand anderem gespielt wird. Die deutschen Darsteller kennen ihn nicht. Kommunikation ist nicht möglich.

„Die Einsamkeit der Baumwollfelder“ wieder Di 19.9. und Di 3.10., jew. 20.00, Thalia Gaußstraße, Gaußstr. 190, Karten zu 22,-/erm. 10,- unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de

( oeh )