Hamburg

Wenn im Marmorsaal die Luft brennt – so war die Theaternacht

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Annette Stiekele
Theaternacht Hamburg 2017

Theaternacht Hamburg 2017

Foto: Niklas Marc Heinecke

Bühnen, die sich mal nicht ernst nahmen, begeisterten mit spleenigen Verrücktheiten rund 10.000 Menschen bei der 14. Theaternacht.

Hamburg.  Die Theaternacht weckt die Hamburger Bühnen und ihre Besucher traditionell endgültig aus dem Sommerschlaf. Gefühlt waren es aber weniger Kulturbegeisterte als sonst, die sich in der 14. Theaternacht einem vielfältigen Programm auf 40 Bühnen hingaben. Stones-Konzert, Cruise Days, das Angebot am Sonnabend war groß. 10.000 Theaterfreunde ließen sich mit Shuttlebussen durch die Stadt und von Bühne zu Bühne treiben. Sie nutzten die Gelegenheit, neue, unbekannte Orte aufzuspüren und erste Einblicke in kommende Produktionen aus Theater, Musik, Musical und Tanz zu erlangen.

In die allermeisten Häuser und zum gewünschten Programmpunkt gelangt man während dieser Bühnentour mühelos und rechtzeitig. Im Bus Richtung Altona ist noch Platz. Mitreisende tauschen sich darüber aus, wie sie im Allee Theater plötzlich die Operette für sich entdeckt haben. Genau solche Entdeckungen ermöglicht die Theaternacht.

„Speed-Dating“ mit Polit-Inhalten

Das Theater in der Marzipanfabrik ist zum ersten Mal dabei. Regisseur Thorsten Diehl hat hier sein Institut für Schauspiel, Drama und Film in einer charmanten Industrieruine untergebracht. In den um den Schornstein verteilten Rotklinkergebäuden warten nun auch drei Bühnen auf Besucher. In der kleinsten, der White Box, gibt es klassisches Schauspiel: die Episode „Medea redux“ aus „Bash. Stücke der letzten Tage“ von Neil LaBute. Eine Darstellerin sitzt in einem Käfig, erzählt von ihrem irgendwie verwirkten Leben, der Liebe zu ihrem Lehrer und ihrer späten Rache. Ein Hauptdarsteller ist hier auch der schlauchartige, mit nur vier Scheinwerfern ausgeleuchtete Raum mit seinen Eisenträgern und Kacheln.

Theater ist aber nicht immer nur Betrachten aus dem sicheren dunklen Zuschauerraum heraus. Häufig ist man als Besucher auch gefordert. Am Lichthof Theater gibt Schauspieler Ron Zimmering einen Einblick in das Spielzeit-Projekt „Staging Democracy“. Angelegt ist es gleichsam als „Speed-Dating“ mit Polit-Inhalten. Auf Fragen wie „Glaubst du, Politiker lügen?“ sortieren sich die Teilnehmer auf der Bühne zu „Ja“- und „Nein“-Gruppen. Später gilt es, Begriffe wie „Freiheit“, „Krieg“ und „Vertrauen“ zu erläutern. Das Konzept geht auf. So bringt Mitmachtheater Spaß.

Wenn im Marmorsaal die Luft brennt

Besonders beliebt sind in so einer Nacht die abseitigen, spleenigen Verrücktheiten. Vor allem zu später Stunde, wenn nur noch der überall ausgeschenkte Kaffee in dem von Katharina Abt humorvoll gestalteten Theaterbecher die Konzentration aufrecht hält. Im Marmorsaal des Schauspielhauses etwa brennt die Luft. Ensemble-Neuzugang Matti Krause hechtet mit zehn Mitspielern um eine Tischtennisplatte, während er sich auf einen Knopf im Ohr Buchtexte vom Tresen einflüstern lässt. Da geht es um „Klassiker der Horrorliteratur“, wohinter sich Schmöker wie „Lebenslänglich Klassenfahrt“ oder „Alles außer Tiernahrung“ verbergen.

Musicalklassiker auf Plattdeutsch

Für diese Momente, in denen die Häuser die Ernsthaftigkeit des Betriebes hinter sich lassen, liebt man die Theaternacht. Und für die kleinen Ausblicke auf Kommendes, die fast jedes Haus im Programm hat. Am Ohnsorg-Theater steht die Premiere von „Hallo, Dolly!“ erst im kommenden Mai an. Die Proben haben noch längst nicht begonnen. Die in eine Abendrobe gehüllte Sandra Keck und ein spielfreudiges Ensemble geben auf rot-plüschiger Showbühne trotzdem schon erste Lieder des Musicalklassikers auf Plattdeutsch zum Besten.

Zum Ausklang des Abends bietet sich die Staatsoper an. In der Opera Stabile gibt es feine Kammermusik von Brahms als Ausblick auf eine neue Konzertreihe. Draußen werden Gesangsstars der stets überfüllten Oper auf Leinwand übertragen. Hier laden Getränkestände zum Theaternacht-Abschluss. Bis nächstes Jahr.