Hamburg

Der Höhepunkt: Menschen, die mit Puppen leben

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Katja Engler

Wettbewerb „Gute Aussichten“ zeigt „Junge Deutsche Photographie“ in den Deichtorhallen

Hamburg. Junge Fotografen – große Bühne. Das ist das Motto, wenn die Deichtorhallen preisgekrönte Werke des Foto-Nachwuchses zeigen. Die jährliche Schau heißt „Gute Aussichten“.

Die Ausstellung: Das Beste, was Deutschlands meist noch unbekannte Absolventen im Bereich Fotografie zu bieten haben, ist jetzt bis zum 1. Mai im Haus der Photographie zu sehen, ausgewählt von einer achtköpfigen, hochkarätigen Jury. Mitglieder sind unter anderem die international bekannte Fotografin Herlinde Koelbl und der Berliner Art Director Mario Lombardo. Aus 77 Einsendungen wurden für die Ausstellung „Gute Aussichten – Junge Deutsche Fotografie 2016/2017“ sieben Positionen ausgewählt. Dabei kristallisierte sich heraus, dass die Auseinandersetzung mit dem Eigenen und dem Fremden allen gemeinsam war. Zu sehen sind 180 Motive, sechs Videos, zwei Diaprojektionen und 78 laubgesägte Holzbäume.

Neu ist das Projekt- und Ausstellungsstipendium „Grant – Gute Aussichten“, für das sich alle bisherigen 114 Preisträgerinnen und Preisträger seit 2004 bewerben können.

Die Künstler: Zwei Preisträger stammen aus Hamburg und haben an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften studiert: Andreas Hopfgarten und Julia Steinigeweg, deren Arbeiten inhaltlich sehr weit auseinanderliegen.

Eingeladen wurde auch der Absolvent Quoc-Van Ninh mit seiner Arbeit „Tenebrae“. Er studierte an der Hochschule für Künste in Bremen. Der junge Fotograf ist in Deutschland geboren, seine Eltern stammen aus Vietnam und China, weshalb das Thema „Fremdsein“ sein eigenes ist. Von der Kunsthochschule für Medien kommt der junge Absolvent Chris Becher mit einer fotografischen Feldstudie in Schwarz-Weiß aus dem Milieu männlicher Prostitution. Die Fotografin Carmen Catuti stammt aus Rumänien und studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Sie erkundete in ihrem Fotoprojekt „Marmarilo“ die heutige Aussagekraft religiöser Zeichen.

Die Höhepunkte: Herausragend sind die Arbeiten der beiden Hamburger Absolventen Julia Steinigeweg und Andreas Hopfgarten. Nach langwieriger Recherche fand und fotografierte Steinigeweg Menschen, die mit Puppen leben. Subtil und gar nicht reißerisch legt sie dabei die Widersprüche frei, die zwischen der Sehnsucht nach Nähe und der Angst vor Verletzung entstehen können. Die Kluft zwischen Lebendigem und Totem ist dabei erschreckend schmal.

Andreas Hopfgarten dagegen hat die verdrängten und verlorenen Erinnerungen seiner Großeltern an die traumatische Kriegszeit rekonstruiert. Es ist die größte Arbeit, die zugleich am dichtesten an unser aller Familiengeschichten dran ist. Sie setzt sich lückenhaft zusammen aus Fundstücken, Dias, einer niedlichen Spieluhr, Briefen (1943: „Noch leben wir. Schlimmer kann die Hölle nicht sein“) und natürlich Fotografien, von Soldaten beim Appell bis zu zwei Kleinkindern, die sich umarmen.