Hamburg. Der Dirigent Robert Trevino tritt auf wie einer, der noch Bedeutendes vorhat. Gleich vier große Brocken der Orchesterliteratur des 20. Jahrhunderts hatte der Amerikaner für sein Gastspiel bei den Symphonikern Hamburg am Sonntag in der Laeiszhalle aufs Programm gesetzt. Und auch das Motto des Abends gibt es nur in XXL: „Von der ewigen Liebe“.
Zwar wirkte der Anfang von Rachmaninows „Toteninsel“ noch ein bisschen unsortiert, doch je länger der Abend dauerte, desto klarer wurde, worauf es Trevino ankam: die gesamte emotionale und dynamische Spannbreite eines großen Orchesters auszureizen. Thematisch führte der Bogen vom philosophischen Eros in Bernsteins Serenade nach Platons „Symposion“ über die christlich-keusche Liebe in Messiaens „Les Offrandes Oubliées“ bis zum Hardcore-Sadomaso von Bartóks „Der wunderbare Mandarin“. Und in der Mitte der zweiten Konzerthälfte begegneten sich die Pole, zwischen denen sich die Musik des 20. Jahrhunderts bewegt: Hier standen, nur getrennt durch eine kleine Pause, die gedämpften, meditativen Streicherklänge von Messiaens „Eucharistie“ unmittelbar neben dem elektrisierenden Beginn von Bartóks auch klanglich brutalem „Sex and Crime“-Ballett.
Der robuste und stämmige Trevino verkörpert fast schon im Übermaß, was einem in der Ära des noblen Jeffrey Tate bei den Symphonikern bisweilen fehlt: Dynamik, Extrovertiertheit, die Lust an der großen Geste. Der Geiger James Ehnes dagegen wirkt so unprätentiös, fast bieder, dass man leicht Gefahr läuft zu unterschätzen, wie gut er tatsächlich ist. Technisch perfekt und mit makelloser Intonation zeichnete Ehnes die Charakterbilder der Symposionsteilnehmer in Bernsteins Serenade. War man in den ersten Sätzen vielleicht nur erfreut und erstaunt, so war man spätestens bei seinem innigen Porträt des Agathon dann ehrlich ergriffen. Eine Herausforderung war dieser Abend gewiss, aber eine, die Spaß machte.
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