Hamburg

Engelsgleich: Countertenor Jaroussky in der Laeiszhalle

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Joachim Mischke

Der französische Sänger begeisterte mit geistlichen Kantaten von Telemann und Bach in der Konzertreihe „NDR Das Alte Werk“

Hamburg.  Atheisten und Bach-Skeptiker, die das um Himmels willen bleiben wollen, sollten tunlichst einen weiten Bogen um die Stimme von Philippe Jaroussky machen, wenn er Bach singt. Denn nachdem sich der französische Countertenor in den vergangenen Jahren vor allem mit italienischem Barock und französischer Salonmusik in die Herzen seiner Fangemeinde sang, hat er sich nun deutsches Repertoire erarbeitet: geistliche Kantaten von Telemann und Bach, zwei Zentralgestirnen für das Denken, Glauben und Fühlen ihrer Entstehungszeit; Werke, die gottergeben um Tod und Vergänglichkeit kreisen, um Schmerz und Erlösung, um Verzweiflung und Hoffnung. Schwerer kann man es sich kaum machen als Neuling. Aber schöner kann es auch kaum sein, als diese Musik so zu erleben, wie ­Jaroussky sie auf seinem neuen ­Album ankündigte und nun im voll besetzten Großen Saal der Laeiszhalle bei einem Konzert von „NDR Das Alte Werk“ ­exemplarisch darbot.

Jaroussky singt diese Kantaten, wie Engel in den schlimmsten Stunden und der größten Einsamkeit trösten. Jedes Wort, jede musikalische Phrase ist reiner Ausdruck, klar, textverständlich bis in den letzten Konsonanten, musikdramatisch vom Feinsten, obwohl es hier eben nicht um weltliche Affekte geht. Auch die Aneignung der Originale funktioniert. Denn dass nicht nur die Kantate „Ich habe genug“ von Bach für Bass komponiert wurde und nun von ­Jaroussky einige Oktaven höher gesungen wird, ist schon nach den ersten ­Noten unwichtig und vergessen. Diese Musik überzeugt, mehr noch: sie überwältigt auf jeder Ebene, wenn sie derart innig und behutsam zelebriert wird.

Beeindruckend und pädagogisch wertvoll war dieses am Ende stürmisch gefeierte Konzert mit dem Freiburger Barockorchester aber auch, weil es zeigte, wie müßig es wäre, den einen und den anderen großen Barockkomponisten gegeneinander aufrechnen zu wollen. Obwohl die Freiburger Musikhistoriker es bei ihrer Hingabe für Telemann mitunter an Intensität mangeln ließen, zeigte allein die Sinfonia zu Telemanns Brockes-Passion mit ihren scharfen Oboen-Intervall-Reibungen schon, wie eindringlich und individuell er die Leidensgeschichte vertonte. Das paritätische Miteinander setzte sich bis in die Zugaben fort: eine weitere Telemann-Passionsarie und das „Laudamus te“ aus der h-Moll-Messe.