Hamburg

Mit Soundtüftler Felix Kubin in neue musikalische Welten

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Ilja Stephan

Hamburg. Ist es nicht ein Wunder, dass wir mit unseren zwei Füßen fest auf der Erde stehen, die ihrerseits hübsch regelmäßig auf einer Bahn um ein Zentralgestirn kreist? Manche Dinge sind so elementar und alltäglich, dass wir vergessen haben, über sie zu staunen. Es bedarf der Kunst und der Künstler, damit wir wieder spüren, dass hierin ein Rätsel liegt und womöglich ein Abgrund gähnt. Bei der Uraufführung seines Multimedia-Oratoriums „Falling Still“ im Großen Saal der
Laeiszhalle präsentierte der Komponist Felix Kubin einige Versuchsanordnungen mit der Schwerkraft.

Bodenhaftung war Felix Kubins Sache noch nie, sein eigenes Plattenlabel benannte er demonstrativ nach dem ersten sowjetischen Kosmonauten Gagarin Records. In „Falling Still“ bleibt der Hamburger seinem Lebensthema treu: Ein japanisches Erdbebenopfer berichtet, wie es sich anfühlt, wenn ein 45-stöckiges Hochhaus unter einem ins Schwanken gerät; ein Unbekannter erzählt von einem Traum, bei dem die Schwerkraft sich umkehrt und alles gen Himmel fällt; und ein Astronom meditiert darüber, dass im endlosen Weltraum jede Bewegung eigentlich ein Fallen sei.

Zu solchen vorproduzierten Tonbandeinspielungen schuf Kubin einen packenden, stilistisch vielfältigen Soundtrack, in dem lange Glissandi einem den Sinn fürs tonale Fundament und feste Tonhöhen unter den Füßen wegzogen. Die Videokünstlerin Mariola Brillowska bevölkerte und bebilderte Kubins Universum mit skurrilen Tierchen, astronomischen Formeln und einstürzenden Wolkenkratzern. Im letzten Bild klammerte Kubins Video-Alter-Ego sich dann mit angstgeweiteten Augen am neobarocken Prospekt der Laeiszhallen-Orgel fest, während unter ihm das Nichts sich auftat.

Das Ensemble Resonanz bewies wieder einmal, dass es immer dann mit von der Partie ist, wenn das hiesige Musikleben in Regionen vorstößt, die noch kein Hamburger Konzertbesucher je zuvor erkunden konnte. Ein Extralob gebührt schließlich dem Knabenchor Uetersen: Ohne einen Chor, in dessen Klang Unbefangenheit und die Fähigkeit zum Staunen noch mitschwingt, wäre ein solches Stück wohl gar nicht möglich gewesen.

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