Hamburg. Wie man ein ganzes Konzertprogramm um ein Stück herum arrangieren kann, das gar nicht erklingt, zeigten der Dirigent Paolo Carignani und das Philharmonische Staatsorchester beim 7. Philharmonischen Konzert am Sonntag in der Laeiszhalle. Mit Hector Berlioz’ „Harold en Italie“ und César Francks Symphonie d-Moll standen zwei Werke auf dem Spielzettel, die nicht nur untereinander Parallelen aufweisen, sondern auch beide dem Vorbild von Beethovens Neunter verpflichtet sind.
Vor allem Berlioz’ „Harold en Italie“ ist ein instrumentales Drama; diese Musik erzählt eine Geschichte und drängt zur Anschaulichkeit. Paolo Carignani und der Solist Nils Mönkemeyer setzten dieses Drama eindrucksvoll frei. Protagonist des Stückes ist der Solist an der Bratsche, der die Szenerie betritt, mit melancholisch-sinnierenden Tönen begleitet und schließlich, wenn es bei der abschließenden Orgie allzu wüst und brutal zugeht, bestürzt wieder die Flucht ergreift.
Mönkemeyer fand nicht nur für den verträumten Helden dieser Szenenfolge so wunderbare warme und innige Töne, dass einen das Gefühl beschlich, Berlioz hätte das alles just für ihn komponiert, sondern er stellte den Helden des Stückes auch dar. Erst nach dem Anfang des ersten Satzes, mit dem Einsatz seines Soloparts, trat Harold/Mönkemeyer aus der Kulisse und schlenderte entspannt aufs Podium, um dann am Beginn des vierten Satzes mit angstgeweiteten Augen wieder davonzustürzen und sich danach nur noch einmal kurz aus dem Off zu Wort zu melden. Das Hauptproblem jeder Aufführung von „Harold en Italie“, das Schweigen des Solisten über weiten Strecken, konnten Carignani und Mönkemeyer durch ihren Abstecher ins Theatralische so überzeugend lösen.
César Francks Symphonie d-Moll ist nicht annähernd so anschaulich wie Berlioz’ musikalische Italienreise. Während Berlioz Beethoven vor allem als Vorläufer der Tondichter und Programmmusiker deutete, war Franck mehr an kompositorischen Details interessiert. Die aufregendsten Entdeckungen in seiner Symphonie sind technischer Natur, wie die Simultan-Montage zweier Sätze mit unterschiedlichen Tempi.
Es gibt also sehr viel Gelehrtes und Kontrapunktisches in der Musik, und Francks Themen haben mehr den Charakter melodischer Versatzstücke. Doch Carignani trieb mit seinem dynamischen Dirigat das Orchester zu Dauerhochdruck an, sodass die glänzend aufgelegten Philharmoniker auch aus diesem spröden Stoff schließlich Funken schlugen.
Das Konzert wird heute um 20 Uhr wiederholt.
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