Ob sich norddeutscher von süddeutschem Humor tatsächlich sinnvoll unterscheiden lässt, ob in Garmisch-Partenkirchen ein Brüller sein kann, was Flensburg völlig kalt lässt, darüber lässt sich trefflich streiten. Genauso wie über gelungene Pointen überhaupt. Der NDR hat jedenfalls entdeckt, dass sich mit eigenproduzierter Comedy Anerkennung gewinnen lässt, beim Publikum und bei der Kritik gleichermaßen, und startet kurz vor Jahreswechsel eine Humoroffensive – unter Betonung des Norddeutschen.
Das Lacher-Vorzeigeprogramm „Der Tatortreiniger“ geht heute Abend in seine fünfte Mini-Staffel und ist im allerbesten Sinne erwartbar: Schotty (Bjarne Mädel) trifft in sechs neuen Folgen der mit zwei Grimme- und diversen anderen Preisen großzügig und zu Recht honorierten Serie einmal mehr auf abstruse Charaktere und Situationen. Und das Gute am „Tatortreiniger“, das, was ihn weit über die Durchschnitts-Comedy hinweghebt, ist, dass es eben nie nur lustig ist, nie nur auf den nächsten Gag hingearbeitet wird. So ist der junge Mann (kongenial: Björn Meyer), der jeden Sonntag in die Eisdiele kommt und „Pfirsich Melba“ (21.12., 22.00 Uhr) bestellt, keine Witz-, sondern ein tragische Figur, die Schotty sehr viel mehr als bloß das Sprungbrett zur nächsten Pointe liefert. Daneben bekommen die etwas trotteligen Bestattungsunternehmer ihren großen Auftritt („Bestattungsvorsorge“, 17.12., 22.00 Uhr) genau wie ein Dienstleistungsangebot, bei dem man sich unwillkürlich fragt, warum noch niemand im echten Leben darauf gekommen ist: In „Anbieterwechsel“ (21.12., 22.30 Uhr) reinigt Schotty eine Vermittlungsagentur für religiöse Angelegenheiten. Die bietet, sehr zum Unmut eines Unbekannten, der den Laden mit blutigen Sprüchen neu verziert hat, jedem Interessenten die zu ihm passende Religion, ganz nach persönlichem Gusto, nach Vorlieben und Vorstellungen über Dies- und Jenseits – im Zweifel auch mit Uwe Seeler.
Die regionale Grundierung beim „Tatortreiniger“ ist zwar durchaus spürbar. Aber nix im Vergleich zu „Neues aus Büttenwarder“: Durch die Adern von Brakelmann (Jan Fedder) und Adsche (Peter Heinrich Brix) fließt Oldesloer Korn, sie atmen Seeluft und sprechen ein Idiom, das Menschen südlich des Weißwurstäquators vermutlich vor ebenso große Schwierigkeiten stellt wie Nordlichter das Bayerische. Und genau dafür werden die beiden Bauern (der Fachbegriff Landwirt verbietet sich für die beiden Döösköppe) von ihren Fans geliebt, mit Sicherheit auch wieder in den „Büttenwarder Festspielwochen“, die der NDR am 23.12. einläutet: 18 Folgen, davon sechs brandneue, und als Schmankerl – Pardon, Leckerei – obendrauf eine neue Doku mit dem Titel „Büttenwarder – frisch geföhnt“.
Föhnen, waschen und legen sind auch die Eckdaten für das neueste, mit viel Verve vom NDR angekündigte Comedyformat, das mit norddeutscher Starbesetzung hinter und vor der Kamera aufwarten kann: Olli Dittrich spielt den Chef eines Frisörsalons (auch hier bietet sich die frankofone Schreibweise definitiv nicht an) irgendwo vor den Toren Hamburgs, in dem unter anderem die titelgebende Protagonistin (Katrin Ingendoh) arbeitet. „Jennifer – Sehnsucht nach was Besseres“ haben sich Andreas Altenburg und Harald Wehmeier ausgedacht, die ihren größten Erfolg bis dato im Hörfunk des NDR feierten: „Frühstück bei Stefanie“, der morgendliche Comedy-Kurzkommentar zum Tagesgeschehen, war fünf Jahre für viele Hörer fester Bestandteil des Tagesablaufs. Und ein wenig erinnert das Umfeld von Stefanies Schlemmerbistro an den Salon Hair & Care und die gegenüberliegende „Futterluke“, die Jennifers Oma Margret (Doris Kunstmann) gehört. Wenn man sich eine Skala vorstellt, auf der an einem Ende das hochkulturell beflissene, wissenschaftlich gebildete Bildungsbürgertum steht: Dann findet man das Personal aus „Jennifer“ (und das aus „Frühstück bei Stefanie“) am exakt anderen Ende. Mit Grammatik hat man es nicht so – „Du bis’ ja nichma richtich Frisör“ –, mit Nachdenken auch nicht.
Für die Regie des Dreiteilers konnte man Lars Jessen („Am Tag, als Bobby Ewing starb“, „Fraktus“) gewinnen, für die Kamera ist Oliver Schwabe („Fraktus“) verantwortlich. Das Ergebnis wirkt tatsächlich wie aus einem Guss: Bilder, Dialoge, Charaktere, alles passt zusammen. Aber die Geschichten aus der Unterschicht sind ein spezielles Vergnügen, das keinen Mittelweg duldet: Entweder, man liebt Jenni (mit weichem „j“) und ihre Kolleginnen. Oder man kann ihnen so gar nichts abgewinnen. Über Humor lässt sich eben streiten.
„Der Tatortreiniger“, ab Do 17.12., 22.00 Uhr, NDR„Neues aus Büttenwarder“, ab Mi 23.12., 22.00 Uhr, NDR„Jennifer – Sehnsucht nach was Besseres“,
ab Mi 23.12., 22.55 Uhr, NDR
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