Eine Jugend in der Kleinstadt, langweilig und leer. Tobi möchte jemand sein, irgendwo dazugehören. Aber wo nur? Ganz schön schwer als Außenseiter mit eher schlechten Schulnoten. Doch dann ist da dieser eine Abend, diese Fete, zu der jemand ein Buch mitgebracht hat: „Mods“ von Richard Barnes. „Parties, Musik, Mädchen, Schlägereien. Typen, die auf ihren Maschinen posierten, als hätten sie einen Krieg gewonnen“, erinnert Tobi sich an diesen Wendepunkt. „Den Krieg gegen die Langeweile.“ Er jedenfalls ist hin und weg. Eine neue Welt tut sich auf, ein Lebensweg, der nun in eine 480 Seiten starke Graphic Novel gemündet ist: „Fahrradmod“.
Eine schöne Coming-of-Age-Geschichte hat Tobi Dahmen, Jahrgang 1971, da zu Papier gebracht, seine eigene nämlich. Eine, die ganz viel mit Musik und Tanzen zu tun hat, mit Soul und Ska, mit immer neuen Wochenendausflügen zu Szenetreffen und bierseligen Parties. Mädchen kommen auch mal vor, aber wichtiger als sie ist letztlich die Musik, sind die akribisch zusammengestellten Mixkassetten. Man trifft ehrfürchtig auf die Ska-Legende Desmond Dekker, durchschwitzt seine T-Shirts bei Konzerten der Busters und gibt ein Heidengeld für obskure Rare-Soul-Singles aus. What a wonderful world!
An dieser Graphic Novel werden nicht nur Soul- und Ska-Fans Spaß haben
Freundschaften werden geschlossen, andere gehen auseinander. Nazi-Skins spalten die Szene, Ausflüge nach London sind ein Fest, weil es hier, auf der Portobello Road, die wirklich coolen Klamotten und die wirklich heißen Scheiben gibt. Und irgendwann weiß Tobi dann auch ganz genau, was er ist: ein Mod. Ein Fahrradmod, um genau zu sein. denn den Motorroller, eigentlich unabdingbares Accessoire dieser Jugendkultur, kann er sich leider nicht leisten.
„Warum mache ich das eigentlich immer noch?“, fragt sich Tobi gegen Ende des Buchs, als er reichlich erschöpft nach einem langen Partywochenende nach Hause – zu Frau und Kindern – zurückkehrt. „Es heißt doch Jugendbewegung. Von Jugend sind wir nun reichlich entfernt.“ Doch das Feuer von einst, es ist noch immer nicht erloschen. Die Musik seiner alten Lieblinge, sie packt ihn immer noch, die Glücksgefühle beim Verlassen eines Clubs weit nach Sonnenaufgang, sie sind noch längst nicht vom Alltagseinerlei weggespült.
Auch wenn „Fahrradmod“ ohne Qualitätsverlust gefühlte 100 Seiten kürzer hätte sein können: An dieser Graphic Novel werden nicht nur Soul- und Ska-Fans, sondern auch (ehemalige) Rockabillys, Metaller oder Punks ihren Spaß haben. So anders dürfte ihr Aufwachsen nämlich auch nicht gewesen sein.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Kultur & Live