Hamburg. Schwarze Doc-Martens-Schuhe, weite Hose, kurzärmelige weiß-rote Bluse und die langen krausen Haare zu einem Dutt zusammengeflochten – Lianne La Havas sieht aus wie aus dem Ei gepellt. Doch ein paarmal schafft sie es nicht, ein Gähnen zu unterdrücken. „Ich glaube, das war der längste Tag meines Lebens“, sagt sie. Um drei Uhr aufgestanden, von London nach Köln geflogen, um im ARD Frühstücksfernsehen aufzutreten, dann weiter nach Hamburg für ein Showcase-Konzert im Gruenspan, gestern nun im Mövenpick-Hotel an der Sternschanze noch ein paar Interviews bevor es mittags wieder zurück nach London geht. Obwohl die 26 Jahre alte Sängerin nur zwei Stunden geschlafen hat, wirkt sie am Mittwochvormittag noch euphorisiert von ihrem Auftritt am Abend zuvor im Club an der Großen Freiheit.
Ihre Hamburger Konzertagentur Neuland hat die Bühne mitten im Saal aufgebaut, das Publikum sitzt direkt vor ihrem Mikrofonständer, Blumenbouquets und rotes und blaues Licht geben der Szenerie eine besondere Intimität. In einem meerjungfrauengrünen Jackett und einer farblich dazu abgestimmten Hose kommt sie auf die Bühne und beginnt das Konzert mit „Unstoppable“, Eröffnungssong ihres zweiten Albums „Blood“. Ihre warme Soulstimme kommt mit umwerfender Präsenz und Klarheit aus den Lautsprechern, schon nach wenigen Takten wird klar, warum Kollegen wie Prince, Alt-J und Bon Iver La Havas lieben und sie für eigene Plattenaufnahmen eingeladen haben. Sie verfügt über eine Art von Soul wie nur sehr wenige Sängerinnen ihrer Generation.
Am Freitag erscheint „Blood“. „Den Titel habe ich gewählt, weil es in vielen Songs um meine Verbindung zu meiner Familie geht und darum, wo meine Wurzeln liegen.“ Mit ihrer Mutter ist sie vor zwei Jahren nach Jamaika an deren Geburtsort geflogen. Es wurde eine Reise der Selbstentdeckung, der in dem Song „Gold And Green“ gipfelt. Auf der Karibikinsel kam sie auch in Kontakt mit Dancehall-Künstlern wie dem legendären Produzenten Stephen McGregor. Später hat sie mit ihm den Song „Midnight“ aufgenommen. „Ich hatte auch überlegt, eine Reggaenummer auf das Album zu nehmen, aber es passte dann doch nicht. Vielleicht bringe ich das Lied mal als B-Seite heraus.“
Bei ihrem mitreißenden 75-minütigen Auftritt im Gruenspan hat sie überwiegend neue Songs im Repertoire. Live klingen sie ein ganzes Stück wuchtiger als auf der CD. Vielleicht liegt es aber auch an der Atmosphäre im Gruenspan, das La Havas vor zwei Jahren schon einmal ausverkaufte. „Ich liebe den Club, weil er ein besonderes Flair hat. Es war wie ein Konzert in meinem Wohnzimmer“, sagt sie. Wenn die dunkelhäutige Sängerin das nächste Mal nach Hamburg kommt, wird der Club eine Nummer größer ausfallen: Am 22. November gastiert sie in der Großen Freiheit 36.
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