Hamburgische Staatsoper

Ein ausgesprochen starker Jahrgang

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Tom R. Schulz
Preisträger: Konradin Seitzer, Maria
Markina, Christopher Evans

Preisträger: Konradin Seitzer, Maria Markina, Christopher Evans

Foto: Andreas Laible

Oberdörffer-Preise und Söring-Preis gehen an Sopranistin Maria Markina, den Tänzer Christopher Evans und den Geiger Konradin Seitzer.

Hamburg.  Wenn die Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Staatsoper ihre alljährlichen Preise für den künstlerischen Nachwuchs des Hauses vergibt – den Oberdörffer-Preis für Sänger und Tänzer, den Söring-Preis für Musiker des Philharmonischen Staatsorchesters –, dann trifft es selbstverständlich immer die Richtigen. In diesem Jahr aber scheint die Auswahl der Preisträger besonders stark und gelungen. Mit Konradin Seitzer zeichnet die Stiftung den 1. Konzertmeister des Orchesters aus, mit Maria Markina eine fabelhafte Mezzosopranistin, die zudem über einen sehr eigenen, gut ausgestatteten Kopf verfügt, und mit Christopher Evans einen vor Energie und Lebensfreude sprühenden Über-Tänzer von gerade mal 20 Jahren.

Die Stiftung ist so uneitel, dass sie die Auswahl der alljährlich zu Würdigenden den Intendanten überlässt. Was Simone Young bewog, Konradin Seitzer zu nominieren? „Sie hat keinen konkreten Grund genannt“, sagt der Musiker mit dem Gardemaß, der seit der Saison 2012/13 am exponierten Pult des 1. Konzertmeisters sitzt – immer unter Beobachtung, vom Publikum wie von den Kollegen, und deshalb immer unter besonderem Druck. Die souveräne, herrenhaft freundliche Art, mit der Seitzer das Scharnier bildet zwischen der Chefdirigentin und dem Orchester, auch sein glanzvoller Auftritt als Violinsolist auf der Opernbühne bei Verdis selten gespielter Oper „I Lombardi alla prima Crociata“, sind schon Gründe genug für einen Preis, der das Schaffen und Wachsen junger Orchestermusiker belohnen soll.

Seitzer, 1983 in Aachen geboren, aufgewachsen in Hildesheim, wohnt mit seiner Freundin in Eppendorf und genießt die Stadt. Er ist gekommen, um zu bleiben: „Hamburg ist keine Durchgangsstation“, sagt Seitzer. „Gute Nerven“ brauche es in seinem Job, und das „Gefühl, nichts beweisen zu müssen. Man muss gut vorbereitet sein und den eigenen Weg finden.“

Was für Seitzer nach einer Stellung fürs Leben aussieht, ist für Maria Markina bald schon Geschichte. Die aus Russland stammende Sängerin, die hier etwa als Siébel in Gounods „Faust“, in Barockopern und bei Rossinis „Cenerentola“ durch Stimmschönheit und Spielvermögen herausstach, verlässt das Ensemble zum Ende der Saison. Sie wird gewiss weiter Oper singen, aber Frau Markina, die mit Mann und elfjähriger Tochter in Hamburg sesshaft geworden ist, hat noch viele Pfeile im Köcher. Gerade hat sie einen Film über die Act-up-Bewegung der 80er-Jahre in den USA aus dem Amerikanischen ins Russische übersetzt, sie begeistert sich für Performancekunst und Randständiges wie Cabaret-Songs. Bei einem Konzert im Hamburger Knust vor zwei Jahren bekundete sie ihre Solidarität mit den inhaftierten Frauen von Pussy Riot. Vor einem begeisterten Publikum sang sie russische Punk-Folksongs.

Christopher Evans sah das Hamburg Ballett von seinem fernen Zuhause in Ohio aus zuerst auf YouTube. Als er mit 15 den Prix de Lausanne gewann, der mit einer Ausbildung an einem Ballettinstitut eigener Wahl verbunden ist, wollte er zu John Neumeier. Der hält große Stücke auf ihn: „Evans besticht durch eine unglaublich präsente Dynamik und grenzenlose Energie sowie sein Engagement und seine Hingabe für jede Form von Choreografie.“

Mit seinem Strahlen und der natürlichen Eleganz seiner Bewegungen wirkt Evans, der zuletzt in „Giselle“ getanzt hat und für den erkrankten Edvin Revazov im „Nussknacker“ einsprang, wie die Freude auf zwei Beinen. Seine tiefbraunen Augen hat er vom Vater, der dem Volk der Sioux angehört. Und worauf freut er sich gerade am meisten, außer natürlich über den Preis? Dass seine Mutter ihn mit den Geschwistern nächste Woche um den Erik Bruhn Prize in Toronto wetttanzen sieht. In Hamburg hat sie ihn nämlich noch nie erlebt. Die Reise wäre zu teuer.