Amerikanische Starautoren, deutsche Eminenz: John Grisham, John Irving, Günter Grass

Es wird der mächtige Geist des Bildungsbürgertums durch die Fischauktionshallen wehen, bedrängt allein vom Pfeifenrauch des großen Günter Grass, Gewinner des Literatur-Nobelpreises, Interpret der deutschen Geschichte, Meister der grammatikalischen Inversion. Grass hat ein neues Buch geschrieben, das er auf dem Harbour-Front-Festival vorstellt. "Grimms Wörter" hat er sich vorgenommen, das riesige, Ehrfurcht gebietende Unternehmen, die deutsche Sprache zu sammeln, und die ehrenwerten Sammler selbst: Jacob und Wilhelm Grimm.

Wörtersucher, Märchenerzähler. Grass hat seine Erzählung, in der er den Fakten romanhafte Züge und Fantasie beimischt, sich außerdem selbst, na klar, in die Geschichte schmuggelt, "Eine Liebeserklärung" untertitelt. Grass ist, je nach Perspektive, der Mann für die sprach- und literaturbeflissenen Leser - oder für die Bildungshuber. Er ist, in der Sprache der Popmusik-Festivals, einer von drei Headlinern bei dieser zweiten Ausgabe des Harbour-Front-Festivals. Die anderen beiden sind John Irving und John Grisham, US-amerikanische Starautoren und Publikumsrenner, deren Bücher in viele Sprachen übersetzt werden. Auch Grass kann das von sich behaupten, wenn auch nicht in diesem Maße, er ist der Tendenz nach einer der gedankenschweren, tiefsinnigen deutschen Erzähler. Ganz gleich, dass gerade John Irving als Kenner und Bewunderer von Grass gilt - er erzählt doch ganz anders.

Leicht, fließend, mit großem Vertrauen in die Kraft der Sprache, zu der jeder unvermittelt einen Zugang findet. Gleiches gilt für John Grisham, dessen Gesamtauflage sich auf 250 Millionen verkaufte Bücher beläuft. Die Manierismen eines Grass sind Irving und Grisham fremd, und vielleicht erklärt auch das ihren Publikumserfolg. Es ist ein altes Thema unter Verlegern, Kritikern und Lesern, dass über die angebliche und tatsächliche Überlegenheit der angloamerikanischen Literatur geredet wird. Die in Creative Writing Schools geschulte Erzählkraft der Autoren aus Übersee wird hierzulande gerne kritisch gesehen, wo der Dichter gerne unter Genieverdacht steht, sich mindestens aber seine Poesie in einsamen Stunden am Schreibtisch abringen muss.

Wie anders das Literaturverständnis vor allem in Amerika: Dort kann man lernen, wie man einen Roman schreibt, und findet daran nichts Ehrenrühriges. In den Methodik-Seminaren dürften Irving (sein aktueller Roman heißt "Letzte Nacht in Twisted River") und Grisham (aktueller Kurzgeschichtenband: "Das Gesetz") Lehrbeispiele sein, sie sind Meistererzähler, deren üppige Prosa (Irving) und szenische Dialogkunst (Grisham) auf die Verfilmbarkeit beinahe schon angelegt ist, ihr Stil wird auch als oberflächlich gescholten.

Irving schreibt epische Romane, in denen sich die Handlung über Jahrzehnte erstreckt, Grishams Texte erstrecken sich oft über die Dauer eines Gerichtsfalls. Ästhetisch wird hier nichts gewagt, die Sprache ist schnell, arglos und ungekünstelt. So schreiben auch die Harbour-Front-Gäste Philipp Meyer und Joshua Ferris. Das Literaturinstitut in Leipzig hat übrigens auch eine Tradition begründet, aber wer würde behaupten, dass Juli Zeh "amerikanisch" schreibt?

Günter Grass 18.9., 20 Uhr, im Gespräch mit Denis Scheck, Fischauktionshalle John Irving 12.9., 11 Uhr, Laeiszhalle (ausverkauft); John Grisham 9.9., 20 Uhr, Laeiszh., Karten ab 10,- unter T. 30 30 98 98