In der Romanverfilmung „Inherent Vice – Natürliche Mängel“ glänzt Joaquin Phoenix

Die meisten Romane von US-Autor Thomas Pynchon, Jahrgang 1937, gelten als unlesbar. Unter 1000 Seiten macht er es selten. Der große Unbekannte des Literaturbetriebs ist seit Jahrzehnten standhaft vor der Öffentlichkeit abgetaucht, das einzige Foto von ihm zeigt einen jungen Offizier mit Zahnlücke. Keiner schreibt eloquenter, fantasiebegabter über Amerika und seinen Underground, die Gegenkultur und gießt all das in Formexperimente von beachtlicher, aber auch herausfordernder Modernität.

Sich die verschlungenen Handlungsfäden seines 2009 erschienenen Romanes „Natürliche Mängel – Inherent Vice“ als Film vorzustellen, braucht eine sichere Hand. Wenn einer das schafft, dann Regisseur Paul Thomas Anderson („There Will Be Blood“), der hierfür die ausdrückliche Erlaubnis des Autors erhielt.

Joaquin Phoenix, mit dem Anderson bereits „The Master“ drehte, glänzt als tiefenentspannter Hippie-Detektiv Larry Sportello mit Wechselperücken, Backenbart, einem löchrigen Kiffer-Hirn und einem angebrochenen Herzen. Als seine sedierte Ex-Geliebte in seinem Strandbüro auftaucht, steht er schon mit einem Bein in einer wüsten Geschichte um Drogengelder, einen Immobilienhai mit Gewissensproblemen, einen prügelnden Leibwächter und einen für tot erklärten, aber quicklebendigen Saxofonisten.

Wie Pynchon verwebt der Film mehrere Nebenhandlungen und Erzählebenen. Und schildert das Ganze obendrein aus Sicht einer Nachbarin. Es geht um geheime schwarze Nationalisten und Arier-Bruderschaften, degoutante Bürgerlichkeit, freie Liebe, Drogengangs getarnt als Zahnarztinnungen. Es ist das Jahr 1970, nach Vietnam, der Nixon-Wahl und den Morden der Manson-Familie. Den Hippies bläst ein kräftiger Wind des Misstrauens und der Häme entgegen.

Auch Sportellos Hauptgegenspieler hat dafür wenig übrig. Josh Brolin gibt den psychopathischen Cop Bigfoot Bjornsen mit Brikettfrisur und einer Vorliebe für tiefgekühlte Schoko-Bananen. Der Film glänzt mit durchdesigntem Setting und wohlplatzierter Hippie-Ironie, samt aufgereihten Babe-Krawatten, Baseballschlägern und kitschigen Westküsten-Interieur.

Wie die Vorlage zerfasert und zerfranst der Film im letzten Drittel. Von der Handlung ist überdies einiges ausgespart, etwa das Surfermotiv und alle Hinweise auf einen modernen Überwachungsstaat. Er wirkt damit historisierender als das Buch. Jede Aktion dient eigentlich einer verdeckten anderen, und keiner ist das, was er zu sein vorgibt. Joaquin Phoenix hält wie üblich mit bemerkenswerter Wandlungsfähigkeit in der Mitte die verwirrten Fäden zusammen. „Natürliche Mängel“ ist übrigens ein Ausdruck aus der Schiffssprache. Ein paar Schäden gibt’s immer.

++++- „Inherent Vice – Natürliche Mängel“ USA 2014, 148 Min., ab 16 J., R: Paul Thomas Anderson, D: Joaquin Phoenix, Owen Wilson, Reese Witherspoon, täglich im Abaton (OmU), Studio, Zeise (OmU); www.inherentvicemovie.com