In dem gefühlvollen Drama „Sehnsucht nach Paris“ gelingt die Flucht aus dem Alltagstrott und die Rettung der Ehe

Charolaisrinder werden nicht nur gerühmt für das fettarme Fleisch, das sie liefern. Züchter schätzen sie auch wegen ihrer ruhigen Wesensart. Xavier Lecanu hat mit seinen Rindern schon zahlreiche Preise gewonnen. Sie tragen so prächtige Namen wie Ben-Hur, die zwar ihrer trägen Natur widersprechen, sie aber zugleich als geborene Sieger ausweisen. Es besteht kein Anlass zu vermuten, dass sich Xavier nicht prächtig mit ihnen versteht.

Auch zu Beginn von „Sehnsucht nach Paris“ bereitet Xavier (Jean-Pierre Darroussin) einen Schützling auf den Sieg beim alljährlichen Wettbewerb vor. Zärtlich bürsten er und seine Frau Brigitte (Isabelle Huppert) das Tier. Sie würde ihm gern noch ein Diadem aufsetzen, aber das geht ihrem Gatten zu weit. Als sie dann mit ihrem Rind für das Siegerfoto posieren, setzt sie sich verschmitzt den Schmuck selbst auf. Ein Abgrund tut sich dabei nicht auf, aber ein leiser Zwiespalt ist in diesem Moment eröffnet.

Darroussin und Huppert sind ein verblüffendes, durchaus glaubwürdiges Paar. Er ist ein versierter Darsteller heroischer Genügsamkeit. Sie wiederum glänzt traditionell in Rollen, in denen sie Frauen eindringlich Gestalt verleiht, die von einem aufregenderen, erfüllteren Leben träumen und oft ihre bürgerliche Existenz um der Liebe willen aufs Spiel setzen.

In Marc Fitoussis Film wirkt überdies ein Genius des Ortes, denn er ist in der Normandie angesiedelt, der Heimat von Flauberts Madame Bovary, die Huppert mal für Chabrol gespielt hat. Tatsächlich tritt bald ein junger Verehrer auf den Plan, der aus Paris zu einer Party im Nachbarhaus der Lecanus angereist ist. Stan (Pio Marmai) fühlt sich eine Spur zu alt für das Publikum, das dort feiert, und macht Brigitte vergnügt Avancen. Das ist kein kein Blitzschlag, sondern eher eine erfreuliche Möglichkeit, die sich eröffnet.

Unter dem Vorwand, in der Hauptstadt einen Hautspezialisten wegen ihres hartnäckigen Ausschlags zu konsultieren, reist Brigitte ihm kurz entschlossen hinterher. Das Rendezvous verläuft indes anders als geplant. Glücklicherweise ist in Brigittes Hotel ein attraktiver Zahnarzt aus Dänemark (Michael Nyquist) abgestiegen, der ihr weitaus formvollendeter den Hof macht. Derweil ist Xavier misstrauisch geworden und folgt seiner Frau nach Paris. Er findet seine Eifersucht bestätigt, zieht sich aber diskret zurück. Nach der Eskapade in die betont touristisch gefilmte Stadt der Liebe wird ihre Ehe nicht mehr so sein wie zuvor.

Zum zweiten Mal hat Fitoussi mit Huppert eine Komödie gedreht, die auf den ersten Blick nicht mehr sein will als eine wehmütige Zerstreuung. Wie in „Copacabana“ zeigt er eine leichtsinnige Facette der Schauspielerin. „Sehnsucht nach Paris“ folgt dem Modell der comedy of remarriage, das seit Beginn der Tonfilmära in Hollywood Konjunktur hat und davon erzählt, wie Eheleute die verloren gegangene romantische und erotische Reizbarkeit neu entdecken. So betrachtet Xavier im Musée d’Orsay fasziniert ein Gemälde, das eine Hirtin bei der Rückkehr ihrer Herde darstellt. In Form einer Postkarte wird es später zu einem Wendepunkt der Handlung und rührt Brigitte zu Tränen. Es ist ein klassisches Motiv der französischen Kunstgeschichte.

++++- „Sehnsucht nach Paris“ F 2014, 98 Min., ab 6 J., R: Marc Fitoussi, D: Isabelle Huppert, Jean-Pierre Darroussin, Michael Nyqvist, täglich im 3001 Kino (OmU), Holi, Passage; www.sehnsuchtnachparis.de