Im neuen Köln-„Tatort“ verheddern sich die Kommissare bei den Ermittlungen in einem Mordfall – zu viel Hormone

Freddy Schenk hat Sehnsucht. Der Job ist kein leichter, als Bulle kennt man die Welt im Schatten. Man wird an den Rhein gerufen, zu einer Leiche: Ein junger Mann ist tot. Er kam aus gutem Haus, lebte aber auf der Straße. Warum ist er tot? Wer brachte ihn um? Die drei Banker, die seinen Weg in einer Edel-Bar kreuzten? Oder jemand aus dem Mietshaus in besserer Lage, in dem der Mann vor seinem Tod noch gesehen wurde, blutend wie ein Schwein? In dem Haus wohnen ehrbare Bürger, keiner scheint ihm geholfen zu haben.

Und Freddy Schenk (Dietmar Bär) muss Akten wälzen, auch das gehört zum Berufsprofil. Wenn er wieder viel zu spät nach Hause kommt, ist seine Frau vor der Glotze eingeschlafen. Auf dem Kommissariat gibt’s auch nichts Neues, jedenfalls keine neue Assistentin. Weshalb der Kaffee ständig alle ist und die Milch sauer. Deshalb hat Freddy Schenk also Sehnsucht, nach dem Ausbruch aus dem Einerlei. Nach Liebe. Nach einer Frau, nach etwas Neuem.

Er verliebt sich ein bisschen, der dicke Tanzbär, und zwar in die ätherische, alleinerziehende Künstlerin Claudia Denk (Ursina Ladi). Das Problem dabei ist, dass die Künstlerin eine der Bewohnerinnen des ins Zwielicht geratenen Hauses ist. Fest steht, dass sich das schwer verletzte Opfer noch in das Haus schleppen konnte. Dort will freilich niemand etwas gehört oder gesehen haben.

Ein Monat war Daniel Gerber nicht auffindbar, bis seine Leiche am Fluss gefunden wird – tragischerweise von der eigenen Mutter, die vorher den bei ihr im Haus lebenden Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) erfolglos um Hilfe bei der Suche des Verschwundenen bat.

„Freddy tanzt“, der 62. Fall für die Kölner Ermittler Ballauf und Schenk, ist eine reichlich private Angelegenheit – und wegen der Innenaufnahmen aus dem Miethaus auch eine Art Kammerstück. Während Schenk verknallt durch die bizarre Szenerie stiefelt und sich der unter Verdacht stehenden Künstlerin als Babysitter andient, versucht Ballauf halbwegs seriös zu ermitteln.

Es geht im Fall des Toten, der als begabter Pianist in die Obdachlosigkeit rutschte, auch darum, ob die Gesellschaft wieder einmal weggesehen hat. Das Opfer muss eine Verbindung zu dem Haus gehabt haben. Der „Tatort“ (Drehbuch: Jürgen Werner) will auch ein paar größere Fragen stellen – nach Verantwortung, Zivilcourage, Empathie –, hat aber seine Stärke definitiv mehr in den Momenten, in denen es nicht um Moral, sondern um Ballauf und Schenk geht. Diese zeigen das etwas müde wirkende Ermittlerpaar vor allem dabei, wie es beim ewigen Zeugenbefragen und Spurenverfolgen aus der Rolle fällt.

Denn da ist ja nicht nur Schenk, den es irgendwann sogar dazu treibt, völlig entrückt in einem porentief reinen Besserverdiener-Club auf der Tanzfläche zu schwofen – auch Ballauf verheddert sich in diesem Fall einmal, als er auf der Massageliege der Mutter des Toten landet. Es sind skurrile Auftritte, die die Akteure in „Freddy tanzt“ haben dürfen, und komische Dialoge, die dabei stattfinden. Aber Sorgen um das Team Köln darf man sich machen, wenn einer der Kommissare an einer Kneipe vorbeiläuft, obwohl er genau gesehen hat, dass der andere einsam an der Bar sitzt.

Dass es in einer Großstadt mit ihren Entfaltungsmöglichkeiten und Lebenslaufrisiken den Fluch der Anonymität gibt, ist ein Subtext dieser „Tatort“-Folge, in der alle Angst haben: davor, die Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können und davor, dass nachts einer klingelt. Wie viele „Tatorte“ wirkt auch dieser bisweilen etwas schematisch. Die Banker, mit denen Gerber in der Nacht seines Todes aneinandergeriet, sind als monströse Arschlöcher so krass mit dem Strich gebürstet, dass es fast satirisch wirkt. Dass einer der Bewohner in Wirklichkeit natürlich kein ultragrober Eishockeytrainer ist, sondern ein Mann mit viel Gefühl für andere Männer, lässt man sich als Zuschauer gerade so gefallen. Die Angst isst die Seele auf, und so hat jeder Gründe, sich egoistisch und unsozial zu verhalten – bis einer tot ist.

„Tatort: Freddy tanzt“ 1.2., 20.15 Uhr, ARD