Die Lessingtage zeigen im Thalia mit „Kindersoldaten“ und „Afrika“ zwei ganz verschiedene Seiten des schwarzen Kontinents

Hamburg. So fühlt sich der Krieg an. Er riecht feucht, er ist laut, dreckig und kehrt einem das Innerste zuoberst. Afrika war Schwerpunkt an zwei Abenden bei den Thalia-Lessingtagen in der Gaußstraße. Was die Jungen Akteure vom Theater Bremen zu dem knallharten Thema „Kindersoldaten“ ablieferten war ebenso beeindruckend wie beklemmend. Sandsäcke hängen von der Decke, Licht gleitet über den Boden. Einzelne Jugendliche treten ans Mikrofon: „Du sollst eine Bestie sein.“

Wehrlose Kinder und Jugendliche werden abgefangen, landen in strengen militärischen Drillcamps, wo sie zur Not mithilfe von Drogen zu Tötungsmaschinen umerzogen werden. Die Bühne wird erst zum Exerzierplatz, dann zum Schlachtfeld, auf dem man aufgepeitscht, zur Gegenwehr verdammt, um sein eigenes armseliges Leben kämpft und das Gegenüber niedermetzelt. Was früher oder später folgt sind Flucht und Vertreibung und das Leben etwa im fernen Deutschland mit den schrecklichen Erinnerungen.

In nur vier Monaten hat Regisseur Gernot Grünewald sich mit einer Gruppe Bremer Kinder ins Herz der Finsternis afrikanischer Kriegspraxis begeben. Sie sind wie diejenigen, deren Geschichten sie erzählen, zwischen zehn und 17 Jahren alt. Eingebunden in starke Massenszenen, Chöre und physische Übungen zitieren sie die Texte der jungen Gesprächspartner. Das meistern die jungen Leute mit einer Bravour, die den Schrecken des Erzählten noch größer macht.

Von der anderen Seite des afrikanischen Kontinents, der schillernden, Europäer immer wieder aufs Neue faszinierenden, erzählt Regisseur und Autor Peter Verhelst. Grundlage des gemeinsamen Abends sind autobiografische Bezüge zum Leben des jungen belgischen Schauspielers Oscar van Rompay. „Afrika“ ist ein eindrucksvolles Solo, das auf mehreren Ebenen berührt. Ein sandiger Tümpel, nebenan Gräser, dahinter eine Blechhütte. Van Rompay legt seine Kleider ab und besprüht sich erst mal von Kopf bis Fuß mit pechschwarzer Farbe. Kinderlachen, Hundegebell, zirpende Zikaden ertönen aus dem Lautsprecher. Der schmale Schauspieler, bekannt aus Luk Percevals Inszenierung „FRONT“, brüllt und tanzt. Irgendwann duscht er, zieht seine europäische Kleidung an und erzählt seine Geschichte. Die eines Mannes, der eigentlich Löwen im Safari-Park hüten wollte, schließlich Plantagenbesitzer wurde und nun drei Monate im Jahr in Kenia verbringt. Jedes Mal sucht er „das geheimnisvoll schlagende Herz“, die „Essenz“ des Kontinents, auf dem vieles sehr anders und fremd läuft. Mit Wärme schwärmt er von den Frauen, die geradezu in Nacktheit gekleidet seien, nur die tiefen Gespräche, die vermisse er.

Van Rompay führt uns den Traum von Exotik und Naturnähe vor Augen und reißt zugleich die Illusion radikal ein. Zurück bleiben Zerrissene.

„Um alles in der Welt – Lessingtage 2015“ bis 8.2., Thalia Theater, Alstertor, Karten T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de