Die isländische Metalband Solstafir kommt am 3.2. ins Uebel + Gefährlich

Oh nein, schon drei Minuten zu spät, jetzt aber schnell, Jacke an, losrennen, bevor daraus zehn werden. Pünktlich sein, effizient, dann gleich den nächsten Termin. Für uns hektische Normalität, im Island früherer Zeiten unvorstellbar. Schließlich kam es hier nicht auf die Minute oder gar Sekunde an, hier galt Eykt, eine etwas andere Art der Zeitrechnung. Ein Eykt umfasst acht etwa dreistündige Abschnitte, und wer sich verabredete, der tat dies nicht etwa zu einer exakten Zeit, sondern innerhalb eines Eyktir.

An dieser Stelle kommt die Band Solstafir ins Spiel, die sich nicht nur ganz allgemein auf die Traditionen ihrer isländischen Heimat bezieht, sondern ihr aktuelles Album „Otta“ nach den acht Eykt-Phasen aufgeteilt hat. Es beginnt mit „Lagnaetti“ (Mitternacht bis 2:59 Uhr) und endet bei „Nattmal“ (21 bis 23.59 Uhr). Das Bewahren oder Wiederentdecken alter Werte und Gebräuche, die kritische Distanz zur Moderne, für Solstafir zentrales Thema, seit die Band vor 20 Jahren die ersten Black-Metal-Schritte tat. Doch in Sachen Sound hat sich seitdem einiges verändert. Vorbei die Zeiten, da vor allem ruppig-primitiv aus allen Rohren gefeuert wurde. Längst stehen diese Nordländer für einen atmosphärisch-epischen Rock-n-Roll-Metalsound, der auf zwingende Melodien und vertrackte Arrangements setzt. Eine Entwicklung, die das 2002er-Debütalbum „Í Blóði og Anda“ bereits andeutet. Gleich vier Songs kratzen an der Zehn-Minuten-Marke, und die melancholische Liebesballade „Bitch In Black“ ist wahrlich herzwärmend.

Kritiker tun sich schwer damit, Solstafir einer Schublade zuzuordnen. Postrock, Viking Metal, Alternative Doom und Death Prog sind derzeit im Angebot, was vor allem eines bedeutet: Diese Band riskiert etwas, spielt mit Genre-Konventionen. So wie Mikael Akerfeldts mit großer Selbstverständlichkeit vom Death Metal zum Progressive Rock gereiste Band Opeth.

Dass auf Isländisch gesungen wird, die Texte für das Gros der Fans also nicht zu verstehen sind, tut dem Solstafir-Erfolg keinen Abbruch. Aber warum auch? Die Atmosphäre vermittelt sich über die Klangfarbe. Man meint zerklüftete Felslandschaften vor sich zu sehen, dunkle Lavafelder und sprudelnde Bäche, glaubt das heisere Krächzen von Krähen zu hören, die über der Ebene kreisen, blickt für einen Moment in das Herz der Finsternis.

Nach langen Lehrjahren scheint die Band jetzt den entscheidenden Sprung gemacht zu haben. „Otta“ wird nicht nur von Metal-Fans gefeiert, viele Konzerte der monatelangen Europatour sind ausverkauft, besser könnte es kaum laufen. Jetzt geht es darum, geerdet zu bleiben, sich vom Rock-’n’-Roll-Biz nicht schlucken zu lassen. Nicht auf die Minute zu gucken, sondern aufs Eyktir. Dann bleibt alles gut.

Solstafir Di 3.2., 21.00, Uebel + Gefährlich (U Feldstraße), Feldstraße 66, Karten zu 21,20 im Vvk.; www.solstafir.net