Die Doku „Die letzten Gigolos“ überzeugt

Man muss den Titel als Koketterie verstehen. Als ein Locken mit Reizen, die niemand zu erfüllen gedenkt. Da führt ein zunächst unsichtbar bleibender Herr sein buntes Krawattensortiment vor, von „sommerlich-jugendlich“ bis „zurückhaltend-vornehm“, während im Off jemand den Schlager vom schönen und armen Gigolo anstimmt.

Sobald der so besungene Herr ins Bild kommt, wird klar, dass nichts davon auf ihn zutrifft. Wie sämtliche der „Gigolos“, die Dokumentarfilmer Stephan Bergmann im Film vorstellt, ist er weder schön noch arm noch ein richtiger Gigolo. Damit wird auch die Behauptung, hier würden die verbleibenden Exemplare einer aussterbenden Spezies betrachtet, hinfällig.

Eigentlich geht es in Bergmanns Film um „Hosts“ auf Kreuzfahrtschiffen, konkret um ein Trio von älteren Herren auf der MS „Deutschland“, dem früheren „Traumschiff“. Ihr Job besteht vor allem darin, die ebenfalls meistens reiferen Damen allabendlich zum Tanz aufzufordern und ihnen so den Aufenthalt angenehm zu gestalten.

Dass aus diesen Begegnungen auch mehr werden könnte – natürlich völlig jenseits von wirtschaftlichen Interessen –, das beteuern beide Seiten, die smarten Herren wie die geschmeichelten Damen immer wieder. Mit jedem Mal wird deutlicher, wie selten das geschieht. Mit wenigen Ausnahmen, wie in einer Sequenz, in der er eine Urlauberin beim Feilschen um ein Strandtuch bloßstellt, kommt Bergmann dabei ohne Zynismus aus. Diese Haltung ist es, die einen trotz des falschen Etiketts doch für den Film einnimmt. Die stimmungsvollen Aufnahmen von Bord, von Wind und Wetter und traumhaftem Sonnenschein sind das eine; sie verleihen dem Film seinen angenehm kontemplativen Rhythmus.

Seine stärksten Momente hat „Die letzten Gigolos“, wenn er seine Protagonisten im Urlauberdasein filmt und sie aus dem Off dazu über ihre Alterserfahrungen sprechen lässt. Wenn eine trauernde Witwe erzählt, sie werde von der Umwelt nicht mehr wahrgenommen ohne Mann an ihrer Seite. Oder ein ehemaliger Anwalt seinen Übergang in die Rente mit der Einsicht schildert: „Sie werden nun nichts mehr erleben, was Sie irgendwie bedeutend machen wird.“

++++- „Die letzten Gigolos“ D 2014, 91 Min., o. A., R: Stephan Bergmann, Fr–Mi jew 18.00 im Passage; www.neuevisionen.de