Liv Ullmann adaptiert August Strindberg Ehedrama „Fräulein Julie“ mit klasse Schauspielern, aber etwas zu statisch

Es ist Mittsommernacht. In einem Schloss in Irland trifft 1890 Baronesse Julie (Jessica Chastain), die Tochter des abwesenden Besitzers, auf Hausdiener John (Colin Farrell) und dessen Verlobte Kathleen (Samantha Morton). Die festlichen Umstände haben Julie offenbar feurig gemacht, jedenfalls fängt sie schon bald an, heftig mit John zu flirten. Auch für das Gesinde des Herrensitzes ist dieser Tag etwas Besonderes. John ist zunächst beleidigt, weil er annimmt, dass sie ihn wegen seiner gesellschaftlich niedrigeren Position verspotten will. Aber sie spielt immer weiter mit dem Feuer und lockt ihn kokett. Ist sie einsam, weil ihr Verlobter sie gerade verlassen hat?

Beide kommen einander näher und sie erliegt offensichtlich ganz gern seinem prolligen Macho-Gehabe. Danach ist nichts mehr wie es vorher war. Sein Charme hat sich in Verachtung verwandelt. Er behandelt sie herablassend, sie ist gedemütigt und verletzt. Kathleen, die einzige in diesem Trio, die nicht aus ihren Klassenschranken ausgebrochen ist, bleibt trotzdem kaum mehr als die Rolle der traurigen Augenzeugin.

Einen Klassiker der Weltliteratur hat sich Liv Ullmann für ihre vierte Regiearbeit ausgesucht. „Fräulein Julie“, das Stück des schwedischen Dramatikers August Strindberg, wurde 1889 in Kopenhagen uraufgeführt. In Schweden wurde es erst 2006 zum ersten Mal öffentlich gezeigt. Das naturalistische Drama steht immer noch auf den Spielplänen vieler Theater und überzeugt durch seine intensiven Charakterdarstellungen und seine gelungene Konstruktion.

Ullmann hat für dieses schon oft für das Kino und Fernsehen adaptierte Stück selbst das Drehbuch geschrieben und ein bisschen an den Dialogen herumgeschraubt. Das Personal hat sie stark ausgedünnt. Es gelingt ihr aber, ihre drei Darsteller zu beeindruckenden Leistungen zu führen. Die Amerikanerin Chastain bildet mit dem Iren Farrell, der Britin Morton und der Norwegerin Ullmann ein überzeugendes Beispiel für eine internationale Kino-Zusammenarbeit.

Weniger überzeugend ist der Regisseurin die optische Umsetzung gelungen. Zwar fängt Kameramann Mikhail Kritschmann immer wieder schöne Bilder ein. Aber das Ganze wirkt oft zu statisch, wie ein abgefilmtes Theaterstück. Selten findet man gelungene Beispiele für visuelles Erzählen, wie die Szene, in der Julie nach dem Sex mit John entsetzt entdeckt, dass sie blutet. Als Schauspielerin war Ullmann bereits zusammen mit ihrem Mentor Ingmar Bergman eine Ikone des skandinavischen Kinos. Als Regisseurin kann sie vielleicht noch immer etwas lernen.

+++-- „Fräulein Julie“ N/GB/IRL/F 2014, 129 Min., ab 12 J., R: Liv Ullmann, D: Jessica Chastain, Colin Farrell, Samantha Morton, täglich im Koralle, Passage; www.fräuleinjulie.de