Das Kammerspiel „Amour Fou“ widmet sich Heinrich von Kleist und seinem Weltekel

Einer der berühmtesten Freitode der Literaturgeschichte als Romantische Komödie? Doch, das funktioniert. Die Österreicherin Jessica Hausner seziert in ihrem auf Festivals bereits gefeierten Film „Amour Fou“ die Abgründe einer komplizierten Begegnung. Die Beklemmungen der bürgerlichen Fassade in einer Zeit, in der die Gewissheiten der preußischen Hierarchien zusammenbrechen und die von Melancholie geplagte Künstlerseele Heinrich von Kleists ( Christian Friedel) auf die einsame Hausfrau Henriette Vogel (Birte Schnöink) trifft. Mit den historisch überlieferten Folgen einer radikalen Entscheidung und am Ende zwei Leichen am Ufer des Wannsees.

Hausner hat einen feinen Blick für das Unterschwellige. In klaren, kargen Bildern fängt sie die Starrheit des Bürgertums ein, in der die Menschen beim Konzert artig wie aufgereiht sitzen und der Familienhund sich passend ins Bild fügt. Henriette Vogel hat scheinbar alles, einen aufmerksamen Ehemann, keine materiellen Sorgen und eine brave Tochter. Doch auf Birte Schnöinks Gesicht zeichnet sich früh eine Leere ab, gegen die sie auch die Hausmusik und ihr Lieblingslied „Wo die Berge so blau“ von Ludwig von Beethoven kein Heilmittel liefern.

Das eint sie mit dem Dichter Heinrich von Kleist, dem das Leben längst zur Qual geworden ist. Als Künstler fühlt er sich verkannt, als Mann läuft sein Liebeswerben bei seiner Cousine Marie (Sandra Hüller) ins Leere. Obsessiv auf der Suche nach einer Seelenverwandten, glaubt er sie schließlich in der zarten, empfindsamen Henriette Vogel zu finden. Die Enttäuschung ist zunächst groß, als sie sich nicht wegen uneingestandener Gefühle zu ihm, sondern aufgrund eines rätselhaften Leidens ohnehin todgeweiht wähnt und darüber den Entschluss fasst, gemeinsam zu sterben.

In dem Gesicht von Thalia-Schauspielerin Birte Schnöink spiegeln sich Zweifel, Irritation und irgendwann eine knallharte Entschlossenheit. Scheinbar ohne äußere Emotionen wird ein Abschiedsbrief formuliert, die Tochter ein letztes Mal geherzt. Das wirkt irreal, doch Hausner gelingt es, all diese Gefühle nachvollziehbar zu machen. Gleiches gilt für Christian Friedel als Heinrich von Kleist. Ein wenig überspannt ist er seiner Verlorenheit ausgeliefert, aber gleichzeitig unerbittlich in der Verfolgung seiner romantisch übersteigerten Idee von einer Liebe bis in den Tod.

++++- „Amour Fou" Ö/L/D 2014, 96 Min., ab 6 J., R: Jessica Hausner, D: Birte Schnöink, Christian Friedel, Sandra Hüller, Gustav Peter Wöhler, täglich im 3001; www.amoufoufilm.com