Das Mehrgenerationen-Experiment „Jazz Matters“ in der Fabrik bot Kurzweil und Anlass zu Freude

Hamburg. Wer hätte das gedacht: Da steht eine aus vier noch recht jungen Männern bestehende Oldtime-Jazzkapelle auf der Bühne, spielt eine Weile picobello, nur fast zu stilecht auf Gitarre, Klavier, Saxofon und reduziertem Schlagzeug Klassiker wie „I Got Rhythm“, und dann kündigt der Frontmann dieser Band einen Zeitsprung von den 20ern in die 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts an. Aus den Anfangstakten schält sich bald der NdW-Hit „Major Tom“ von Peter Schilling heraus, und die Aufforderung zum Mitsingen befolgen die mehrheitlich anwesenden Oldtime-Fans mit staunenerregender Inbrunst.

Shreveport Rhythm, so der Name des Hamburger Quartetts, bewies beim Generationen verbindenden Konzert „Jazz Matters“ in der Fabrik, dass auch für die Liebhaber der alten Schule des Jazz die Zeit offenbar doch nicht auf ewig bei Louis Armstrong stehen bleibt. Dabei hatte der Abend mit Münsters Old Merry Tale Jazzband recht gediegen begonnen, selbst das Banjo durfte bei Titeln wie Kid Orys „Muskrat Ramble“ und dem „Beale Street Blues“ nicht fehlen. In fließendem Übergang setzte sich die Show mit Dan Gottshall’s Artful Earful fort. Die Band machte geradezu lehrbuchmäßig deutlich, dass die Trennlinie schon lange nicht mehr zwischen Oldtime und Modern verläuft.

Denn mit seinem viel elastischeren Verständnis von Time und der weitgehenden Emanzipation der Rhythmusgruppe scheint der Jazz von heute vom ehemals Modern genannten Jazz der 50er-Jahre fast weiter entfernt zu sein als der Modern damals vom Oldtime. Im Vergleich zu der Komplexität, mit der jeder der fünf beteiligten Instrumentalisten bei Gottshall und später in Gabriel Coburgers Quintet Jean Paul klanglich und von der Wahl der Noten her seinen eigenen musikalischen Kosmos erschuf, dabei ständig das Gefüge der ganzen Gruppe im Ohr behaltend, sieht Oldtime tatsächlich sehr alt aus.

Unter den rund 270 Zuhörern war die Jugend deutlich in der Minderheit. Doch selbst von den stark verschachtelten, melodisch ausgreifenden Stücken des Quintets Jean Paul ließen sich die Oldtime-Fans weder einschüchtern noch verjagen. Das war neben der durchweg guten Musik das Schönste an diesem Sitzkonzert: die Beharrlichkeit und Bereitschaft der Älteren, sich auf etwas einzulassen. So gesehen haben die jungen Bands möglicherweise eine ganze Menge neuer Hörer gewonnen.

Dieser freundliche Clash der Generationen und Stile machte auch den Reichtum an Ausdrucksmöglichkeiten des Jazz in Hamburg bewusst. Und mit diesen vier Bands hat sich das Experiment noch nicht erschöpft. Es sollte unbedingt fortgesetzt werden.