Die Bilder der Presse-Fotografen wurden 2014 vor allem von Krieg und Gewalt geprägt. Für das Hamburger Abendblatt hat F. C. Gundlach wieder seine persönliche Auswahl getroffen. Welche Bilder werden in Erinnerung bleiben?

Hamburg. Nach knapp drei Stunden konzentrierter Bildauswahl steht F. C. Gundlach sichtlich erschöpft und nachdenklich vor den 25 Agenturfotos, für die er sich aus der Fülle von mehr als 70 Motiven am Ende entschieden hat. Auch wenn er an diesem dunklen Dezembernachmittag schon zum siebenten Mal in Folge für das Abendblatt seine „Bilder des Jahres“ auswählt, ist es für den Fotografen und Fotografie-Sammler keine Routine, sondern eine anstrengende Arbeit.

Bei ihrer Vorauswahl haben die Mitarbeiter der Fotoredaktion die eindrucksvollsten Bilder herausgesucht und im A-4-Format ausgedruckt, die die internationalen Presseagenturen von den wichtigen Ereignissen dieses Jahres lieferten. „Manches, was im Frühjahr oder sogar noch im Sommer passiert ist und uns damals bewegt hat, wirkt jetzt schon merkwürdig fern, andere Bilder sind dagegen sehr präsent, beschäftigen uns auch jetzt noch und werden wohl auf Dauer mit diesem Jahr verbunden bleiben“, sagt Gundlach und weist auf ein Foto aus Monrovia. Es zeigt, wie Menschen, die in ihren gelben Schutzanzügen sehr bedrohlich wirken, die Leiche eines Ebola-Opfers wegtragen. „Hier geht es um eine Tragödie, eine Seuche, die nicht von Menschen verursacht wurde, der die internationale Gemeinschaft aber viel zu spät wirksam begegnet ist und die ausgerechnet die ärmsten Länder der Welt heimgesucht hat“, sagt der Fotograf. Vor allem seien es aber von Menschen gemachte Katastrophen, die diesem Jahr ihren Stempel aufgedrückt hätten, meint Gundlach und zeigt auf Bilder, die Pressefotografen teilweise unter Einsatz ihres Lebens in den Kriegen und Krisengebieten aufgenommen haben: Motive aus der Ukraine, aus dem Gaza-Streifen und Monat für Monat aus Syrien.

Immer wieder wägt Gundlach ab, in wie weit die jeweilige Fotografie die Bedeutung und das Wesen eines Ereignisses verdichten konnte. Dabei stößt er manchmal an die Grenzen dessen, was überhaupt noch darstellbar ist und dem Zeitungsleser zugemutet werden kann. Zum Beispiel bei einem Motiv, das den amerikanischen Journalisten Steven Sotloff unmittelbar vor seiner Ermordung durch Angehörige der islamistischen Terrororganisation Islamischer Staat zeigt. Darf man ein solches Bild des wehrlosen Opfers überhaupt verbreiten, ein Fotos, das nicht von einem Journalisten stammt, sondern aus einem Propaganda-Video der Mörder?

„Man muss es zeigen, denn es bildet eine Wahrheit ab, die die Täter entlarvt“, sagt Gundlach, der allerdings froh ist, dass er auch Motive ganz anderer Art auswählen kann. Das Selfie eines australischen Kneipengängers zum Beispiel, der sich mit der deutschen Kanzlerin knipsen konnte, die sich beim G-20-Gipfel in Brisbane für kurze Zeit gut gelaunt unters Volk gemischt hatte. Doch selbst manche Bilder, die auf den ersten Blick kurios anmuten, sind keineswegs heiter. Zum Beispiel das Bild, das die Queen und Prinz Philip beim Durchschreiten eines Meeres aus Keramik-Mohnblumen zeigt: Die 888.246 blutroten Blüten stehen für jeden britischen Soldaten, der während des Ersten Weltkriegs ums Leben kam.

Ganz am Schluss betrachtet F. C. Gundlach noch einmal ein Bild, das die „Lichtgrenze“ zeigt, mit der Berlin am 9. November an den 25. Jahrestag des Mauerfalls erinnerte hat. „Ich bin froh“, sagt der Fotograf zum Abschied, „dass ausgerechnet dieser Schicksalstag, an dem in der deutschen Geschichte auch so viel Schlimmes geschehen ist, jetzt in der ganzen Welt mit so positiven und heiteren Bildern in Verbindung gebracht werden kann.“