„Die Wolken von Sils Maria“ mit der wunderbaren Juliette Binoche ist ein Drama übers Älterwerden

In einem Zug reist die renommierte Schauspielerin Maria Enders (Juliette Binoche) zugleich ihrer Zukunft und ihrer Vergangenheit entgegen. Sie soll bei einer Feier ihres Entdeckers, des Autors Melchior, eine Laudatio auf ihn halten. In seinem Theaterstück „Maloja Snake“ war ihr einst der Durchbruch gelungen, aber das ist schon lange her. Sie hatte damals eine junge Frau gespielt. Nun soll sie erneut in dem Drama auf die Bühne, diesmal allerdings in der Rolle der verbitterten Alten. Enders zögert. Da erhält sie die Nachricht, dass Melchior gestorben ist.

Begleitet wird sie auf der Reise von ihrer persönlichen Assistentin Val (Kristen Stewart), die sich beinahe schon mit der Intensität eines Kindermädchens um sie kümmert. Die beiden Frauen reden viel miteinander, natür-lich auch darüber, ob Maria die Rolle annehmen soll. Die Rolle der jungen Frau würde diesmal an die Hollywood-Darstellerin Jo-Ann Ellis (Chloë Grace Moretz) gehen, die bisher in erster Linie durch Rollen in Superhelden-Filmen auf sich aufmerksam gemacht hat.

Maria trifft die Witwe des Autors (Angela Winkler), der Selbstmord begangen hat. Sie begegnet dem Schauspielerkollegen Henryk Wald (Hanns Zischler), den sie nicht mehr ausstehen kann, obwohl oder weil sie einmal eine Affäre mit ihm hatte. Unruhe bringt auch der junge Regisseur Klaus Diesterweg (Lars Eidinger) in ihr Leben, der gern mit ihr arbeiten möchte.

Im Zentrum des Films stehen lange Gespräche zwischen Maria und Val. Sie üben die Rolle zusammen ein, argumentieren, interpretieren sie. Dabei sind sie fast nie einer Meinung. In diesen zum Teil sehr starken Dialogen zeigt sich die Handwerkskunst von Regisseur Olivier Assayas, der auch das Drehbuch geschrieben hat. Sehr schön vielschichtig hat er das angelegt, sodass man in manchen Momenten nicht genau weiß: Sprechen die Charaktere im Theaterstück, argumentieren Maria und Val miteinander, oder sind es doch Juliette und Kristen, die sich nicht darüber einigen können, wie man beispielsweise als Schauspielerin mit den Medien umgeht. Eifersucht, Neid, Lebenserfahrung und -hunger ergeben eine klug-kontroverse Mischung. Erst spät stößt Jo-Ann Ellis dazu, aus dem Duell wird ein Trio.

Wie sieht es in der Seele einer Schauspielerin aus, wie grenzt sie sich gegen ihre Rolle ab, wo muss sie Schutz-mauern ziehen. „Die Wolken von Sils Maria“ stellt viele kluge Fragen. Unterstützt und untermalt werden die Dialoge durch das Naturphänomen, dem das Theaterstück seinen Namen verdankt. Schlangengleich kriecht bei bestimmten meteorologischen Voraussetzungen der Nebel ins Tal des Engadins. Was für ein Bild, was für eine Symbolik! Assayas lässt die einzelnen Szenen immer wieder mit überraschenden Abblenden enden, gibt ihnen dadurch etwas Volatiles. Der Franzose, der zuletzt mit dem Studentenrevolten-Drama „Die wilde Zeit“ und der Terroristen-Biografie „Carlos“ auf sich aufmerksam gemacht hatte, hat schon mit „Irma Vep“ einen Film über das Filmemachen gedreht. Hier bietet der 55-Jährige, ein Liebhaber des asiati-schen Kinos, seinen beiden Hauptdarstellerinnen eine wunderbare Plattform für ihre Kunst.

++++- „Die Wolken von Sils Maria“ D/F/CH 2014, 124 Min., ab 6 J., R: Olivier Assayas, D: Juliette Binoche, Kristen Stewart, Chloë Grace Moretz, Lars Eidinger, täglich im Holi, Zeise; www.diewolkensonsilsmaria-derfilm.de