Ein feministischer Western: „The Homesman“

Mit beschwerlichen Reisen durch unwegsames Gelände kennt Tommy Lee Jones sich aus. Seine erste Regie-Arbeit „Three Burials – Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada“ führte ihn zu Pferd durch das texanisch-mexikanische Grenzgebiet mit einem gefangenen US-Polizisten im Schlepptau. „The Homesman“ heißt der zweite Film, in dem der knorrige Schauspieler nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch sein eigener Regisseur ist. Nach der Romanvorlage von Glendon Swarthout erzählt er die Geschichte eines ungewöhnliches Trecks in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch Nebraska.

Das Leben im kaum erschlossenen Wilden Westen ist hart. Stürme vernichten die Aussaat auf den Feldern, Indianer sind eine ständige Bedrohung, nur wer eine starke Persönlichkeit besitzt, kann dort draußen überleben. Mary Bee Cuddy (Hilary Swank) ist so eine Figur. Sie betreibt ihre Farm ohne männliche Hilfe. Zwar sehnt auch sie sich nach einem Mann, doch anbeißen will bei ihr niemand. Mary Bee ist zu emanzipiert für die Typen in ihrer Umgebung. Andere Frauen sind nicht so selbstbewusst. Arabella (Grace Gummer), Theoline (Miranda Otto) und Gro (Sonja Richter) haben allesamt den Verstand verloren, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die Gemeinde beauftragt Mary Bee, die drei Frauen zurück in den Osten, in die sogenannte Zivilisation zu begleiten. Allein kann sie die beschwerliche Reise nicht unternehmen. Der heruntergekommene George Briggs (Tommy Lee Jones) kommt ihr da gelegen. Sie bewahrt ihn vor der Strangulation und will als Gegenleistung, dass er ihr für den Trip als Beschützer und Führer zur Verfügung steht. Fünf Wochen soll die Fahrt bis nach Hebron in Iowa dauern. Es wird eine harte Bewährungsprobe für jeden der Reisenden.

Wie schon in „Three Burials“ ist auch „The Homesman“ ein wortkarger Film. Obwohl sie eine Schicksalsgemeinschaft sind, verbindet Briggs und Mary Bee nicht sehr viel. Sie reden nur das Nötigste, ein paar Frotzeleien gehören dazu und schaffen komische Momente. „The Homesman“ gibt einen Einblick, wie groß die Entbehrungen gewesen sein müssen, die jeder Treck gen Westen damals auf sich genommen hat. Briggs und Mary Bee bewegen sich in die entgegengesetzte Richtung, was ihre Fahrt allerdings kaum leichter macht.

Tommy Lee Jones nimmt einerseits das Western-Motiv des Trecks auf, andererseits erzählt er von dem harten Los der Frauen, das bisher in Western-Filmen kaum eine Rolle gespielt hat. Deshalb ähnelt „The Homesman“ etwas Kelly Reichardts „Meek’s Cutoff“, der auch im unendlich langsamen Rhythmus eines schaukelnden Planwagens gefilmt ist. Obwohl Briggs im Verlauf des Films immer stärker in seiner Rolle wird, bestimmt doch Mary Bee, wo es bei dieser Mission durch die Prärie lang geht. Insofern hat „The Homesman“ etwas von einem feministischen Western. Der klassische Held hat in diesem düsteren, kargen Film ausgedient.

++++- „The Homesman“ USA 2014, 122 Min., ab 16 J., R: Tommy Lee Jones, D: Hilary Swank, Tommy Lee Jones, Meryl Streep, Hailee Steinfeld, täglich im Passage; www.homesman-derfilm.de