Der Balthasar-Neumann-Chor singt die h-Moll-Messe am 3. Dezember in der Laeiszhalle

Wollte man aus dem schier unübersehbaren geistlichen Schaffen Johann Sebastian Bachs ein Werk als Quintessenz herausheben, wäre dies wohl seine h-Moll-Messe. Nicht das sinnenfrohe Weihnachtsoratorium und auch nicht die erschütternden, streckenweise hochdramatischen Passionen. Bach, der Erzprotestant, hat eine Messe mit lateinischem Text geschrieben, das wirkt fast wie eine frühe Botschaft der Ökumene. Reich besetzt für vier- bis teilweise achtstimmigen Chor und ein üppiges Orchester samt Blechbläsern und Pauken, weist das Werk in seiner mehrteiligen, kathedralenartigen Anlage weit über seine Zeit hinaus.

Anders als die eingangs erwähnten Oratorien hat die h-Moll-Messe immer Saison. Sie erklingt durchs ganze Kirchenjahr hindurch und am 3. Dezember sogar in der weltlichen Laeiszhalle. Dann ist Thomas Hengelbrock, als Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters ein Hamburger Publikumsliebling par excellence, mal wieder mit seinen ureigensten Klangkörpern zu Gast, dem Balthasar-Neumann-Chor und dazugehörigem Ensemble. Auch wenn Hengelbrock es von sich weist, ein Gewächs der Originalklangszene zu sein, mitgeprägt hat er sie doch.

Er war Gründungsmitglied des Freiburger Barockorchesters, später hat er nicht nur mit „Balthe“, wie die Ensembles in Musikerkreisen bündig abgekürzt werden, Maßstäbe für eine undogmatische, dem Geist der Musik und nicht der Tinte verpflichtete Interpretation gesetzt, sondern diesen Ansatz auch in die modernen Orchester getragen. Der Spielweise des NDR Sinfonieorchesters ist das deutlich anzuhören; umgekehrt sind im Balthasar Neumann Ensemble einige Musiker dabei, die hauptberuflich in einem Sinfonie- oder Opernorchester spielen.

War die Messe in dieser Form gar nicht vom Komponisten beabsichtigt ?

Was sich an Mythen um die h-Moll-Messe rankt, könnte man beinahe als Verschwörungstheorien bezeichnen. Darunter die, die Messe sei in dieser Form gar nicht vom Komponisten beabsichtigt gewesen, Bach habe schlicht vier in sich komplette Werke in einem Sammelband niedergeschrieben. An diesem Verdacht ist er selbst nicht ganz unschuldig. Schrieb er damals doch, wie es unter seinen Zeitgenossen üblich war, kräftig bei sich selber ab, funktionierte geistliche zu weltlichen Werken um und umgekehrt. In der Tat sind die Bestandteile der h-Moll-Messe über mehrere Jahrzehnte hinweg entstanden. Und einige von ihnen begegnen den verblüfften Zuhörern schon mal mit deutschem Text – wie etwa die Kantate „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ aus dem Jahr 1714.

Vieles spricht jedoch dafür, dass er das Riesenwerk Ende der 1740er-Jahre planvoll zusammengestellt hat. Einige Werke von fast utopisch anmutendem Modellcharakter sind in jenen späten Jahren entstanden, darunter die „Kunst der Fuge“. Die h-Moll-Messe gehört gleich ihnen zum kompositorischen Vermächtnis Bachs. Heute gehört sie zum oratorischen Kernrepertoire, zu seinen Lebzeiten ist sie nie als Ganzes aufgeführt worden.

Bach, Messe in h-Moll Mi 3.12., 20.00, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Karten zu 9,- bis 55,- unter T. 35 76 66 66; Internet: www.elbphilharmonie.de