Ein alter Mann, der auch so heißt, nämlich Okina, lebt mit seiner Frau Ōna („alte Frau“) in einer kleinen Hütte in der Nähe eines Bambuswaldes. Eines Tages findet er dort in einem Stamm ein winziges Kind. Okina und Ōna nennen ihr Ziehkind Takenoko, „Bambussprössling“. Takenoko wächst so rasant wie eine Bambusstaude. Sie hat einen Freund, Sutemaru, der sie sehr liebt, aber bald verdirbt jäher Reichtum ihr Glück. Magische Bambusstauden schütten körbeweise Gold aus, ein andermal edle Tücher. Die alten Eltern deuten die himmlischen Zeichen; zweifellos wollen die Götter, dass der kleinen Prinzessin eine standesgemäße Erziehung in der Hauptstadt zuteil werde. Kaguya, wie sie inzwischen genannt wird, fügt sich. Ihre Schönheit ist bald legendär, ihr Zitherspiel wie von einem anderen Stern. Die Verehrer stehen Schlange. Sie weist alle ab, träumt von Sutemaru und dem Tollen im Wald. Ihre Widerspenstigkeit wird als Stolz ausgelegt. Fünf Prinzen reisen an und wetteifern um ihre Gunst. Sogar der Kaiser verliebt sich in das Bambusmädchen.

Weil kein Entrinnen mehr möglich scheint, weint Kaguya den Mond an, dessen Kaiser prompt eine Delegation entsendet, die entsprungene Prinzessin heimzuholen. Angeführt von Buddha, schweben eines Nachts die Mondwesen ein und entführen Kaguya, indem sie sie krönen und ihr eine Robe umlegen, die sie alles Irdische vergessen lässt.

„Die Legende der Prinzessin Kaguya“ erzählt die einfachste Geschichte der Welt. Der Autor ist unbekannt; er soll um 900 gelebt haben. Jetzt steht sie auch am Ende einer japanischen Erzähltradition, als krönender Abschluss von Anime-Regisseur Isao Takahatas Arbeit, vielleicht gar vom Studio Ghibli, das nach Jahrzehnten voller Wunderwerke wie „Prinzessin Mononoke“ oder „Chihiros Reise ins Zauberland“ mit den Regisseuren Takahata und Hayao Miyazaki das Pensionsalter erreicht. „Kaguya“ ist ein Meilenstein der Illusionswissenschaft, in dem sich stärkster Ausdruck in Tupfern vermittelt und alle Striche leben.

+++++ „Die Legende der Prinzessin Kaguya“ Japan 2013, 137 Min., o.A., R: Isao Takahata, Sa, So, Mi im Passage