Christopher Rüping inszeniert „Die lächerliche Finsternis“ von Wolfram Lotz

Christopher Rüping ist am Thalia Theater der Mann für Spezialaufgaben. Zuletzt hatte der 29-Jährige aus Auswandererberichten den wunderbar lebendigen Abend „Bye Bye Hamburg“ gezimmert. Nun macht er sich über ein Hörspiel für die Bühne her. Wolfram Lotz’ „Die lächerliche Finsternis“, das am 8. November seine deutsche Erstaufführung im Thalia in der Gaußstraße erfährt, speist sich aus den Mythen der Antikriegs-Stoffe wie Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ und Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“ und liest sie neu.

„Das hat auf Anhieb eine unfassbare Komik“, erzählt Christopher Rüping. „Eigentlich geht es darum, dass man aus unserer Sicht gewisse Dinge nicht erzählen kann. Doch statt zu schweigen reißen wir die Klappe auf und erzählen es umso lauter und krasser.“ Das Stück erzählt mehrere kleine Geschichten: Ein somalischer Pirat steht vor einem Hamburger Gericht, ein italienischer Offizier erzürnt sich in Afghanistan über afrikanische Stehpinkler, und ein serbischer Händler findet durch den kriegsbedingten Verlust seiner Familie den Einstieg in ein Gewerbe. Im Kern aber dreht sich die Handlung um eine Suche im verkommenen Herz der globalisierten Kriegs- und Krisenwelt, in einem fiktiven Afghanistan, in dem es Regenwälder gibt. In einer Welt, in der ständig Dinge in einen Kontext gestellt werden, die nicht zusammengehören, in der Kinder in Diskotheken Drogen einwerfen und Somalier Piraterie studieren. Mittendrin suchen zwei Soldaten der deutschen Bundeswehr nach einem im Dschungel angeblich durchgedrehten Dritten.

Frei nach Wolfram Lotz kann man, wenn man sowieso Verrat begeht sobald man den Mund öffnet, auch gleich richtig lügen. Der Text um den bärbeißigen Kriegsveteran und den jungen, tapsigen, naiven Idealisten sprüht vor Witzen, auch Zoten und bietet den Schauspielern Möglichkeiten, sich verbal zu duellieren. Momentaufnahmen bieten den Boden für einen weit hinausreichenden Diskurs. Das Problem, inhaltlich sehr ferne Dinge zu behaupten, löst Rüping, indem er den Körper des Schauspielers mit der Figur verschmelzt. „Es geht auch um die Unmöglichkeit von realistischer Repräsentation und den Versuch, in dem Klischee eine Art von Wahrheit zu finden.“

Lotz hat seinem Stück, das das Geschehen häufig episch erzählt, für eine Bühnenaufführung maximale Freiheit zugesichert. Das schätzt Rüping. „Ich finde, dass alles im Theater aufeinander reagieren können muss, dass auch der Text sich biegen lassen muss.“ Der Absolvent der Theaterakademie Hamburg inszeniert große Stoffe in Hannover und Zürich. Demnächst vielleicht ja auch auf der großen Thalia-Bühne. „Ich liebe in der Kunst die gemeinsame Live-Erfahrung von Schauspielern und Zuschauern am meisten. Das ist so lebensbejahend und verschwenderisch.“

„Die lächerliche Finsternis" Dt. Erstaufführung Sa 8.11., 20.00 (ausverkauft), dann Mo 10.11., 19.00 u. So 16.11., 20.00, Thalia in der Gaußstraße (S Altona, Bus 2), Gaußstraße 190, Karten zu 20,- unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de