Das neue Familienmusical „Der kleine Störtebeker“ überzeugt auf ganzer Linie

Hamburg. Krankheiten wie die Pest sowie Kinder, die auf Märkten verkauft wurden: Das Mittelalter war ein düsteres und grausames Kapitel der Menschheitsgeschichte. Das musste auch Klaus Störtebeker erfahren, der 1401 auf dem Grasbrook im Hamburger Hafen hingerichtet wurde. Wie der sagenumwobene Pirat zum Freibeuter wurde und woher er kam, ist ungeklärt.

Ein Umstand, den sich das Schmidt Theater mit viel Fantasie zu eigen gemacht hat, wie die gefeierte Uraufführung von „Der kleine Störtebeker“ zeigte. Das Familienmusical von Heiko Wohlgemuth (Buch und Songtexte) und Martin Lingnau (Komposition und musikalische Leitung) hat Tempo und Witz. Und Regisseurin Carolin Spieß versteht es, die sieben Darsteller zu einem homogenen Ensemble zusammenzufügen, das komplett überzeugt.

Benjamin Zobrys – auch Choreograf des Stücks – reift als Titelheld vom Waisenjungen Nikolaus zum jungen Klaus. Er entkommt dem Gaukler Hieronymus (Tim Koller) und freundet sich bei der Flucht übers Wasser mit der sprechenden Schiffsratte „Justin“ an. Damit sind Kalauer („Zum Glück bin ich kein größeres Tier, dann hieße ich ja Justin Bieber“) ebenso verbunden wie eine Doppelrolle für Mario Saccoccio: Er gibt nicht nur den Smutje Grobhard sondern der Ratte auch eine Stimme.

Die Piraten, die den Waisenjungen aufnehmen, mit Kapitän Gödecke Michels (urkomisch: Markus Richter) an der Spitze, erweisen sich nicht nur beim hitverdächtigen Lied vom „Likedeeler“ (Gleichteiler) als durchaus sozialverträglich. Nur an Bord wollen sie ihn vorerst nicht haben. Michels rät dem kleinen Störtebeker zu mehr Mut, in Piraten-Sprache heißt das: „Mal mit der Wurst nach dem Schinken schmeißen!“

Die plietsche Deern „Theo“ (klein, aber oho: Kristina Willmaser) hilft ihm, dem geldgierigen Pfeffersack (Götz Fuhrmann/auch als Zimmermann Jan zu sehen) die Schatzkiste zu entwenden. Wie die Darsteller im gelungenen Bühnenbild Heiko de Boers von Gauklerzelt, über Piratenschiff und Hamburger Fischmarkt bis zu Pfeffersacks Haus auch Türen und Bilder verkörpern, ist ein weiterer Hingucker.

Sogar für einen Hauch von erster Liebe und Familienzusammenführung auf Seeräuberart bleibt noch Platz. Und bei der Jagd von Pfeffersacks Schiff „Schnelle Libelle“ auf den Piratenkahn müssen die Zuschauer richtig mit anpacken. Zur Belohnung gibt es im Song „Wi Snack Platt“ Nachhilfe im Niederdeutschen. Ein junges, ein echt starkes Kapitel Hamburger (Kultur-)Historie, das sich vor Musicals für Erwachsene nicht zu verstecken braucht.

„Der kleine Störtebeker“ ab 6 J., wieder Sa/So 8./9.11., ab 11.11., auch 10 Uhr, bis 4.1 2015., Schmidt, Karten zu 18,40 bis 25,- in allen Abendblatt-Ticketshops, T. 30 30 98 98; www.tivoli.de