Die Komödie „5 Zimmer Küche Sarg“ zeigt das ganz normale Leben in einer Vampir-WG

Seit fünf Jahren schon türmt sich das blutige Essgeschirr in der Küche, aber Hausarbeiten sind nun mal völlig unter Deacons Würde. Sein Kumpel Viago hingegen versucht, stets pünktlich aufzustehen, aber wenn er wie in Trance den Wecker auf „Schlummern“ stellt, sieht das genauso anstrengend aus, wie es sich täglich millionenfach anfühlt: Ein schwerer Sargdeckel muss angehoben werden. Petyr wiederum erscheint nicht zum WG-Meeting, aber mit 8000 Jahren weiß er, dass Sitzungen meist keinen Einfluss aufs weitere Untotsein haben.

Mit ihrer Mockumentary „5 Zimmer Küche Sarg“ bringen die beiden Regisseure und Drehbuchautoren Taika Waititi (der zugleich den charmanten Viago spielt) und Jemaine Clement (er gibt den „leicht perversen“ Vlad) Licht ins Dunkel über die Frage, was Vampire, zumal in einer alten Villa im neuseeländischen Wellington, nachtein, nachtaus so treiben. Übers Blut- und Staubsaugen diskutieren, okay. Anhand alter Fotos von ihrer Vergangenheit etwa als Nazi-Vampir erzählen. Geschenkt. Aber was bisher kaum beleuchtet wurde: Da pupsen, saufen, feiern also fünf teils heftig erotisierte Wesen in ihrer Villa Kunterbunt für Erwachsene, und sie tun es ganz ohne Youtube, Skype und Facebook. Noch.

Damit eignen sich die Blutsauger natürlich als Projektionsfläche für diffuse Sehnsüchte nach dem „pre-internet brain“, wie Douglas Coupland sagen würde. Aber das neumodische Zeug verspricht ja viel zu schöne Möglichkeiten, um von den routiniert verspielten Lebens- und Todeskünstlern nicht ausprobiert zu werden: Ein netter (und trotz Apfelbäckchen unangetastet bleibender) IT-Experte zeigt ihnen, wie man alte Bekannte weltweit aufspüren kann, die man seit Jahrhunderten aus den Augen verloren hat. Oder die, wie Viagos Schwarm, inzwischen im Altersheim leben.

Nach Jahren des Reality-Fernsehens und ungezählten Dokumentarfilmen über das Mittelalter oder die Nazi-Zeit, possierlich nachgestellt von Laien und Profis, ist kaum noch ein Winkel der Zivilisation unausgeleuchtet. Was Vampire angeht, hat sich das Zwielicht ihrer Existenz längst zum berechenbaren Mainstream-Himmel aufgeklart. „5 Zimmer Küche Sarg“ dokumentiert nun aber nicht nur den Alltag einer stilvoll verwahrlosten Wohngemeinschaft, wie man sie sich in den Achtzigern in Kreuzberg vorstellt, sondern ist zugleich eine gelungene Komödie über unseren unstillbaren Durst nach richtig geiler Authentizität.

Zwar erfinden Waititi und Clement das Mockumentary-Genre nicht neu, aber wie sie verwackelte und plötzlich abbrechende Handkamera-Sequenzen (samt Untertitel „Szene nachgestellt“) aufs Korn nehmen, vor Witz überbordende neue Bildideen finden und sich dabei doch penibel an die überlieferten Vampir-Mythen und historische Details halten, das verrät bei aller Lässigkeit eine genaue Kennerschaft ihres Sujets. Mit dem Charme einer Band-Dokumentation (Assoziationen zu den unsterblichen Rolling Stones sind unvermeidlich) geht es natürlich ums Scheitern an Türstehern (ein Vampir muss „eingeladen“ werden) und um Werwölfe. Aber eben auch um die Segnungen des Datenstreams für Blutsauger: Endlich können sie unbeschadet einen Sonnenaufgang sehen, auf Youtube.

++++- „5 Zimmer Küche Sarg“ NZL 2014, 82 Min., ab 12 J., R: Jemaine Clement, Taika Waititi, D: Jemaine Clement, Taika Waititi, Jonathan Brugh, täglich im 3001 Kino (OmU), Abaton (OmU), Cinemaxx Dammtor (auch OF), Savoy (OF), Studio-Kino, UCI Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek; Zeise (OmU); www.5zimmerkuechesarg.weltkino.de