Mit Fanny Ardant wird „Jeanne d’Arc au bûcher“ zu Oratorium, Schauspiel und Oper

Hätten sie nicht Fanny Ardant, die großartige französische Filmschauspielerin, als Sprecherin für die Titelrolle ins Boot geholt, man müsste bangen um den Kartenverkauf für die beiden Vorstellungen von „Jeanne d’Arc au bûcher“, die die Staatsoper am Sonntag und am Mittwoch in der Laeiszhalle aufs Programm gesetzt hat.

Als heilige Johanna hat Jeanne d’Arc auch dem deutschen Schauspiel von Schiller bis Brecht ihre eigenwillige, starke, tragische Persönlichkeit aufgedrückt, sie ist präsent als Ikone der Unbeirrbarkeit und des Muts in Legenden, Geschichten und Songs bis hin zu Leonard Cohen. Aber Arthur Honeggers und Paul Claudels „Jeanne d’Arc au bûcher“, dieses Mischwesen aus Schauspiel, Oratorium und Oper, kennen bei uns nur wenige. Das Stück erzählt in einer großen himmlischen Rückblende vom Leben und Leiden der Jeanne d’Arc (1412–1431), der Bauerntochter aus Domrémy, die, einer Vision folgend, die Engländer nach einem fast 100 Jahre währenden Krieg als jungfräuliche Feldherrin besiegt hatte.

Manche Episoden mit Johanna wirken wie eine Groteske, wie eine Farce

Pater Dominique, Begründer des Dominikanerordens, zeigt ihr in einem Buch, was über ihre Geschichte geschrieben steht – sie selbst ist des Lesens nicht kundig. Darin geht es nicht pur nach Art der Heiligenverehrung zu, manche Episoden erscheinen als Groteske. So wird das Tribunal, das die Burgunder ihr machten, zur Farce vor einem im Wortsinn tierisch dummen Gericht mit Lämmern und einem Esel, dem als Präsident ein Schwein vorsitzt.

Uraufgeführt 1939 in Orléans, wurde das Werk nach dem Einmarsch der Nazis in Paris ein „Pièce de Résistance“. In mehr als 40 Städten des noch nicht besetzten Frankreich wurde es 1940 aufgeführt. Jeanne hatte einst die Engländer besiegt, mit ihrer himmlischen Hilfe wollte man nun auch die Deutschen besiegen.

Komponist Honegger (1892–1955), dessen Ruhm sich überwiegend auf seine raffinierte Hommage an die Eisenbahn gründet („Pacific 231“), war als Kind von Schweizer Einwanderern in Le Havre am Ärmelkanal aufgewachsen und gehörte später der Groupe des Six an, einem Zusammenschluss französischer Komponisten, die ihr Hass auf Richard Wagner einte. Paul Claudel (1868–1955), jüngerer Bruder der Bildhauerin und Rodin-Muse Camille Claudel, stammte ebenfalls aus dem französischen Norden, der Picardie. Zum „Jeanne“-Libretto rang er sich nach anfänglichem Widerstand nur durch, weil ihm während einer Fahrt mit der Eisenbahn die Vision eines Mädchens erschien, das mit gefesselten Händen das Kreuzzeichen über ihm machte.

Honeggers Partitur bietet eine gewaltige Vielfalt an Techniken, Stilen und Klangfarben. Anstelle der Hörner spielen im Orchester drei Saxofone, von Gregorianik bis Jazz, auch ein Kinderchor tritt auf. Das Stück ist nicht nur eine Rarität auf den Spielplänen, es ist auch ein faszinierender Solitär der Musikgeschichte.

„Jeanne d’Arc au bûcher" So 19.10., 18.00, Mi 22.10., 19.30, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Karten zu 12,- bis 132,- unter T. 35 68 68