Luke Evans spielt in dem Thriller „Dracula Untold“ einen düsteren Fürsten mit Herz und ungepflegten Fingernägeln

Er hat es nicht so gemeint, er wollte nur Volk und Familie schützen. Dracula, der berühmteste und mit mehr als 270 Auftritten in Kino und TV wohl auch der fleißigste Vampir, war nicht immer der finstere Blutsauger, als den man ihn kennt. Früher, als er noch nicht das Tageslicht meiden musste, einen großen Bogen um Kirchen machte sowie ein Problem mit Silbertalern hatte, war er offenbar ein umsichtiger Herrscher, liebender Gatte und aufopferungsvoller Vater. So vermittelt es jedenfalls Regisseur Gary Shore in seinem Spielfilmdebüt „Dracula Untold“, das, wie der Titel unmissverständlich andeutet, Draculas bislang nicht erzählte Geschichte zum Thema hat.

Die spielt im 15. Jahrhundert in Transsilvanien am Hofe des Fürsten Vlad. Seit vielen Jahren ist Frieden im Lande, doch der Frieden ist zerbrechlich, an den Grenzen drohen die Türken als ständige Gefahr. Fürst Vlad ist folglich in Sorge, was sich vor allem darin ausdrückt, dass er seine Stirn in dekorative Falten legt und seine Sätze wie der tragische Held eines Shakespeareschen Dramas formuliert. Wenn er abends müde vom Regieren nach Hause kommt, versucht er sich nichts anmerken zu lassen, spielt erst einmal eine Runde mit seinem Sohn und herzt und kuschelt seine Frau.

Beim abendlichen Vollbad bekommen wir allerdings eine Ahnung davon vermittelt, welch dunkle Zeiten der freundliche Regent bereits durchleben musste. Seine Haut ist über und über von tiefen Narben gezeichnet, Spuren des Krieges, in den er bereits in jungen Jahren als Geisel des Sultans ziehen musste. Denn um den Frieden mit den Türken zu wahren, folgte Vlads Vater dem grausamen Brauch, dem Sultan tausend Jungen als Kanonenfutter zu überlassen, auch den eigenen Sohn. Doch dieser Brauch ist inzwischen Geschichte. Aber ist er das wirklich? Schon kommt ein General des Sultans zur Tür herein und fordert seinen Tribut.

Die Herausforderung, der Gary Shore und seine beiden Drehbuchautoren Burk Sharpless und Matt Sazama sich stellten, bestand darin, eine Geschichte zu erzählen, die Bram Stokers Romanfigur auf einigermaßen geschmeidige Weise mit der historischen Figur des Fürsten Vlad III. Drăculea versöhnt. Der historische Vlad regierte mit diversen Unterbrechungen Mitte des 15. Jahrhunderts die Walachei und konnte sich seinen Platz in den Geschichtsbüchern dadurch sichern, dass er seine Gegner pfählte.

Sehr interessant ist auch, dass Shore sich bei der Gestaltung des alten Vampirs von F.W. Murnaus Stummfilmklassiker „Nosferatu“ hat inspirieren lassen – er ist mit solch entsetzlich ungepflegten Fingernägeln ausgestattet, wie einst Murnaus beliebter Vampir-Darsteller Max Schreck. Zieht man dazu in Betracht, dass der alte Vampir von Charles Dance gespielt wird, der wiederum eine verblüffende Ähnlichkeit mit Christopher Lee hat und das Kinoplakat andererseits einen Gruß Richtung Batman ist, wird deutlich, dass Shore bei „Dracula Untold“ praktisch alles in den Mix geworfen hat, was in Sachen Vampiren und Fledermäusen gut und teuer ist. Mit Erfolg.

++++- „Dracula Untold“ USA 2014, 92 Min., ab 12 J., R: Gary Shore, D: Luke Evans, Sarah Gadon, Art Parkinson, täglich im Cinemaxx Dammtor/Harburg, Savoy (OF), UCI Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek; www.draculauntold.ch/de