„Phoenix“ ist ein beklemmendes Drama über eine Holocaust-Überlebende

Nelly (Nina Hoss) hat das Konzentrationslager Auschwitz überlebt. Aber ihr Gesicht ist schwer zerstört. Ihre Freundin Lene (Nina Kunzendorf), Mitarbeiterin der Jewish Agency, bringt die junge Frau zurück nach Berlin und organisiert eine Gesichtsoperation. „Wie wollen Sie aussehen?“, fragt der Chirurg. Nelly will ihr altes Gesicht zurück. Und auch ihr Leben an der Seite ihres Mannes. Johnny (Ronald Zehrfeld) soll sie am Ende des Krieges verraten haben, doch Nelly kann und will das nicht glauben. Trotz der Warnungen von Lene und mit großer Sturheit macht sich im zerstörten Berlin auf die Suche nach der Liebe ihres Lebens. Sie will die verlorene Zeit zurückdrehen. Schließlich findet sie Johnny, doch der erkennt sie nicht.

Regisseur Christian Petzold ließ seinen letzten Film „Barbara“ in der DDR spielen und besetzte Hoss und Zehrfeld als ein Liebespaar unter schwierigen Bedingungen. In „Phoenix“ arbeitet er wieder mit diesen beiden herausragenden Akteuren, wieder sind sie ein Paar. Nelly muss ihre eigene Doppelgängerin spielen, denn Johnny will sie für seine Frau ausgeben, um an das Vermögen der tot geglaubten Ehefrau zu kommen. Er verlangt von der scheinbar Fremden, dass sie sich kleidet wie seine Frau und er übt mit ihr zu gehen und zu schreiben wie Nelly es getan hat. Die wiederum findet allmählich ihre Identität zurück, die ihr im KZ genommen werden sollte.

Petzolds Film konzentriert sich auf seine Figuren, doch gleichzeitig transportiert er mit ihnen Zeitkolorit. Nelly und Johnny leben in einem Kellerraum, der wie ein Versteck wirkt, obwohl sich niemand mehr verstecken muss. Gleichzeitig ist diese räumliche Enge Ausdruck der Depression, die auf seinem Paar lastet. Von Aufbruchstimmung und Befreiung ist noch wenig zu spüren. Hoss und Zehrfeld spielen beide zutiefst verstörte Menschen, wenngleich ihre Verunsicherung unterschiedliche Gründe hat.

Obwohl in Farbe gedreht, ist „Phoenix“ ein beklemmender Film noir, ein Kammerspiel, in dem es um Verdrängung und Schuld, um Sehnsucht und Hoffnung geht. Nelly will wissen, ob sie geliebt worden ist, deshalb akzeptiert sie die Doppelgängerrolle. Ihr Mann kann sie nicht sehen. Seine Schuld ist zu groß, es ist ihm unmöglich, sich seinen Gefühlen und seinen Erinnerungen zu stellen, deshalb – und aus Gier – schafft er sich eine Stellvertreter-Frau. Nina Hoss, die bereits zum fünften Mal mit Christian Petzold arbeitet, spielt die Nelly mit ihren enormen schauspielerischen Möglichkeiten als eine Verlorene, die schon einmal fast ausgelöscht war. Ein Lied bringt am Ende die Wahrheit ans Licht.

+++++ „Phoenix“ Deutschland 2014, 98 Min., ab 12 J., R: Christian Petzold, D: Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Nina Kunzendorf, täglich im Abaton, Holi, Zeise; www.phoenix-der-film.de