Die französische Komödie „Gemma Bovery“ spielt zu sehr mit Klischees

Frankreich ist ja zum Verrücktwerden schön. Lieblich die Landschaften. Großartig die Esskultur. In den kleinsten Dörfern – wissen wir aus dem Kino – wird Schokolade noch mit der Hand gemacht. Da wird Wein angebaut, der voller Lebensweisheit steckt und Banker zu besseren Menschen macht. Deshalb würde jeder „Landlust“-Abonnent seine Heftsammlung gegen jene Bäckerei eintauschen, die Martin Joubert (Fabrice Luchini) von seinem Vater geerbt hat. In der Normandie, in einem Gemeinwesen wie aus dem Bilderbuch. Mit verwunschenem Schloss und köstlichem Kopfsteinpflaster.

Martin, von dem man auch am Ende von Anne Fontaines „Gemma Bovery“ nicht weiß, wie er seine Backstube durchs Jahr bringt, weil er zwar vom Zenhaften des Teigknetens philosophieren kann wie kein Zweiter, aber niemand glaubt, dass er außer großen Sätzen bilden auch kleine Brötchen ordentlich durch den Ofen zu bringen vermag. Aber um Realismus geht es ja in „Gemma Bovery“ nicht. Um Wirklichkeit und um Verwirrung, um Projektion allerdings schon.

Martin, um die 50, mit bedenklich eingeschlafener Libido, hat mal einen akademischen Verlag geführt, jetzt sitzt er mit seiner eher spröden Frau und seinem Pubertier von Sohn in jener Gegend, in der Gustave Flauberts „Madame Bovary“, der literarische Leitfaden seines Lebens, spielt und tragisch endet. Und weil der gute Martin in seinem idyllischen Nest intellektuell und erotisch stark unterfordert ist, brechen bei ihm in Kopf und Unterleib gleich alle Dämme, als Gemma und Charlie Bovery, ein Restauratoren-Paar aus London, in die Kate gegenüber einziehen. Gemma und Charlie, das sind doch Emma und Charles Bovary!

Das ist kein Zufall. Nichts an diesem Film ist zufällig. Was man leider schnell merkt, wenn die anfangs dicke, knusprige Kruste aus Charme aufgebraucht ist. Dann zeigt sich, wie hier Klischees durchgespielt werden, wie Flauberts Motivschatz geplündert wird. Da hat man längst das Interesse am Teigkneter und dem Objekt seiner Begierde verloren. Luchinis Martin ist nicht halb so dämonisch, wie er sein müsste, Gemma Artertons Gemma nicht halb so selbstentlarvend, wie sie sein könnte. Man kann ihn einfach nicht leiden, diesen Bäcker. Das ist für den Erzähler einer Komödie schade. Kneten wir deshalb ein bisschen Teig, das ist ein feines Gefühl. Und warten auf die großen Brötchen aus Frankreich.

+++-- „Gemma Bovery“ Frankreich 2014, 100 Min., o. A., R: Anne Fontaine, D: Gemma Arterton, Fabrice Luchini, täglich im Holi, Koralle; gemma-bovery.de