Viel Drama, zu wenig Satire: „Maps to the Stars“ zeigt Hollywood à la David Cronenberg

Die Zeit, die ist Havana Segrands Problem. Die Zeit arbeitet gegen sie. Die Karriere der Hollywood-Schauspielerin, sie mag um die 50 sein, läuft nicht mehr – das Alter. Havanas Körper ist eben nicht mehr der einer 20-Jährigen, und das sieht man umso mehr, als dass sich Havana anzieht wie eine 20-Jährige. Havana läuft die Zeit davon, und gleichzeitig hat sie viel zu viel davon, sie hat ja nichts zu tun. Also kann sie sich ganz auf sich selbst konzentrieren, auf ihren Körper und ihren Geist.

Und so sind die Tage der einsamen, unterbeschäftigten Diva Havana Segrand gefüllt mit angestrengten Versuchen, zu entspannen. Sie macht Yoga, trinkt esoterische Tees, schluckt eifrig Psychopharmaka und lässt sich therapieren, von einem TV-Guru: Havana wird vom Geist ihrer toten Mutter verfolgt, die auch schon Hollywood-Aktrice war. Doch die alterte nicht, sie ist jung gestorben und wird für immer jung bleiben. Umso besser kann Havana ihr die Schuld zuschieben. Und der größte Triumph und das ultimative Exerzitium wäre es, mal dieselbe Figur zu spielen wie die Mutter, im Remake eines alten Films der Mutter.

Havana Segrand ist die Protagonistin von „Maps to the Stars“, des neuen Films von David Cronenberg. An ihr entscheidet sich auch, ob das nun eine Satire auf Hollywood ist oder eine Abrechnung. Oder noch etwas anderes, ein Drama über die Zeit selbst, die Gegenwart, deren Übertreibung oder jedenfalls Zuspitzung schon immer an diesem Ort geschah, Hollywood. In Filmen, die dort gemacht wurden, und in Berichten über die realen Leben der Berühmten, die im Großraum Los Angeles leben: Die Maps, auf die hier im Titel angespielt wird, sind die Straßenkarten von L.A. für Touristen, auf denen die Häuser von Filmstars verzeichnet sind.

Mitleidlos geht der Film mit seinem Personal um

Ist Havana Segrand nun eine lächerliche oder eine tragische Gestalt? So wie die fabelhafte Julianne Moore sie spielt, mit dem ganzem Mut zur Verzweiflung, möchte man als Zuschauer zumindest Empathie empfinden für sie. Doch das gesteht das Drehbuch von Bruce Wagner und Cronenberg nicht zu, und Cronenbergs Regie tut es auch nicht. Mitleidslos wird am Ende nicht nur mit der Klischeefigur Havana verfahren, mitleidslos geht der Film letztlich auch mit seinem Personal um, dessen Sehnsucht und Verderben der Ruhm ist. Und die Familie.

Sie werden alle von je eigenen Geistern verfolgt: der Kinderstar Benji und seine verleugnete Schwester Agatha. Ebenso Benjis und Agathas Eltern Cristina und Stafford Weiss, Letzterer ist Havanas Therapeut. Auch das Schicksal der Weiss’ wird von der Erinnerung bestimmt und von einem Brand, Feuer ist als Metapher in „Maps to the Stars“ arg omnipräsent. Es brennt in den Köpfen. Im Schutt und in der Asche der Vergangenheit, da liegen die dunklen Familiengeheimnisse.

Sind narzisstische Persönlichkeitsstörungen eine Nebenwirkung des Ruhms – oder ist das Streben nach Ruhm bereits Ausdruck einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung? Diese interessante Frage an eine Gegenwart, in der scheinbar alle Menschen berühmt werden wollen, was immer Ruhm dann auch noch bedeutet, taucht kurz auf in „Maps to the Stars“. Doch der Film beantwortet sie nicht. Er wird, je länger er dauert, zu einer Rachefantasie, die an den Berühmten verübt wird.

Manch großer Filmregisseur hat sich irgendwann mal Hollywood als Topos zugewendet, dabei sind große Filme entstanden. Dem Kanadier David Cronenberg ist solch einer nicht gelungen.

+++-- „Maps to the Stars“ Kanada/D 2013, 111 Min., ab 16 J., R: David Cronenberg, D: Julianne Moore, Robert Pattinson, Evan Bird, Mia Wasikowska, John Cusack, täglich im Abaton (OmU), Passage, Studio-Kino; www.mapstothetsras.de