Der Mystery-Thriller „Another Me“ erkundet die Schattenseiten der Pubertät

Ausgerechnet Shakespeares „Macbeth“ studiert die Schultheatergruppe ein. Diese blutige Tragödie um Ehrgeiz und Macht, in der die Schuldigen von Geistererscheinungen gepeinigt werden. Und ausgerechnet die rothaarige Fay (Sophie Turner) wird ausgewählt, Lady Macbeth zu spielen. Was sagt uns das? Am Ende nichts. Denn nicht Fay ist es, die schuldig wurde, sondern, wenn überhaupt, dann ihre Eltern, die das schwere Trauma in der Familie zu verantworten haben.

„Another Me – Mein zweites Ich“ ist der neue Film der Katalanin Isabel Coixet, die durch schmerzende Melodramen wie „Mein Leben ohne mich“ oder „Das geheime Leben der Worte“ berühmt wurde. Ihre Filme kreisen um die Vergänglichkeit des Lebens, deren Protagonisten durch tiefes Unglück oder Krankheit aus der Bahn geworfen sind. „Another Me“ beginnt wie ein ganz normaler Thriller. Fay fängt an, sich vor der Unterführung zu fürchten, die zur Schule führt, weil sie Schritte hört und Schatten sieht. Als Zuschauer denkt man sich: Warum geht sie nicht einfach außen rum? Aber dann wird’s gothic. Scheiben splittern, Schaukeln schaukeln, Lampen flackern, und Mrs Brennan (Geraldine Chaplin) von nebenan behauptet, Fay gerade eben im Fahrstuhl gesehen zu haben, obwohl das unmöglich ist. Überzeugt, dass es eine rationale Erklärung gibt, geht Fay auf ihre Klassenkameradin Monica (Charlotte Vega) los, die Lady Macbeth auch gern gespielt hätte. Aber die streitet alles ab, und als die Lehrerin behauptet, Fay sei bei den Proben gewesen, dämmert es dem Teenager, dass hier ganz andere Mächte am Werk sind. „Jemand tut so, als wär’ er ich, und ich hab’ das Gefühl, ich werd’ verrückt.“

„Another Me“ ist, nach dem auf einem Roman von Philip Roth basierenden Drama „Elegy oder Die Kunst zu lieben“, Coixets zweite Literaturverfilmung. Nach einem Jugendbuch von Catherine MacPhail, einem schottischen Coming-of-Age-Roman im Gewand einer Schauergeschichte. Dabei verzichtet Coixet auf alle reißerischen Effekte. Ästhetisch ist dieser in körniges Herbstlicht getauchte Psychothriller ein Vergnügen, und Sophie Turner, die durch die TV-Serie „Game of Thrones“ populär wurde, beweist in ihrem ersten Kinofilm, dass sie schauspielerisch wirklich was drauf hat.

Das Kino fange da an, wo das Glück aufhöre, hat Coixet einmal gesagt. Wenn „Another Me“ aufhört, ist es mit dem Unglück der Heldin noch lange nicht vorbei. Ganz im Gegenteil.

+++-- „Another Me – Mein zweites Ich“ Spanien/Großbritannien 2013, 85 Min., ab 12 J., R: Isabel Coixet, D: Sophie Turner, Geraldine Chaplin, Jonathan Rhys Meyers, täglich im Studio-Kino; UCI Wandsbek; www.fox.de/cinema/another_me/13780