Die überraschende Trennung von Jörg Quoos begründet der Burda-Verlag mit inhaltlichen Differenzen

Hamburg. Keine Woche ohne Umwälzungen bei Deutschlands großen Magazinen: Wie der Burda-Verlag am Dienstagmorgen bekannt gab, muss Jörg Quoos nach nur 20 Monaten als Chefredakteur des Münchener „Focus“ seinen Platz räumen. Sein Nachfolger wird zum 1. Oktober der ehemalige „WAZ“-Chefredakteur Ulrich Reitz.

In den vergangenen Tagen rumorte es bereits mächtig beim „Spiegel“. Dessen Chef Wolfgang Büchner ließ es auf eine Machtprobe mit Ressortleitern und Mitarbeiter KG ankommen – und behielt vorerst die Oberhand in der anstehenden engeren Verzahnung von Print- und Onlineprodukt. Kurz zuvor verlor „Stern“-Chefredakteur Dominik Wichmann überraschend seinen Job, und das ausgerechnet am Erscheinungstag des frisch überarbeiteten Magazins.

Man sei „unterschiedlicher Auffassung bezüglich der künftigen Ausrichtung des Magazins“, heißt es in der Mitteilung der Hubert Burda Mediengruppe zum Wechsel an der Spitze des Verlags-Flaggschiffs. Die künftige Ausrichtung dürfte verlagsseitig vor allem die stetig gesunkene Auflage im Blick haben. Deren Talfahrt konnte auch der ehemalige Stellvertreter von „Bild“-Chef Kai Diekmann nicht aufhalten. Lag die verkaufte Auflage des „Focus“ vor fünf Jahren noch bei mehr als 650.000 Exemplaren, ist sie im zweiten Quartal 2014 auf weniger als 500.000 Stück gesunken.

Zwar kündigt der Verlag eine „Trendwende“ für das kommende Quartal an und verweist gleichzeitig auf zwischenzeitlich gestiegene Leserzahlen. Der Personalwechsel wiederum spricht gegen den Glauben an die Nachhaltigkeit dieses Trends.

Der Chefredakteurs-Stuhl des „Focus“ hat sich schon seit dem Rückzug von Helmut Markwort auf den Herausgeberposten vor gut vier Jahren als wackelig erwiesen: Zunächst sollte der Gründer des Debatten-Magazins „Cicero“, Wolfram Weimer, dem „Focus“ zu einem geschärften Profil verhelfen. Die Doppelspitze mit Markwort-Intimus Uli Baur hielt allerdings nicht lange. Nach nur einem Jahr übernahm Baur die alleinige Verantwortung. Die Chemie zwischen Baur und Weimer habe nicht gestimmt, seine ambitionierte Themensetzung hätten weder Baur noch Markwort tragen wollen, wurde damals berichtet.

Baur setzte konsequent auf Nutzwert-Journalismus. Die großen Exklusivgeschichten, die dem einstmals selbst gesetzten Anspruch als Konkurrenz zum „Spiegel“ Rechnung getragen hätten, blieben aus. Also kam am 1. Januar 2013 Jörg Quoos von der „Bild“ zum „Focus“, und wurde bei seiner Berufung vom Verlag als „ein exzellenter Nachrichtenmann und ein hervorragend vernetzter Journalist“ gepriesen. Baur wurde zweiter Herausgeber neben Markwort.

Unter Quoos’ Führung konnte das Magazin tatsächlich unter anderem die Steueraffäre um Uli Hoeneß aufdecken, doch die Auflagenzahlen sanken weiterhin. Voll des Lobes ist man bei Burda immer noch. Vorstand Philipp Welte nennt Quoos’ Leistungen „enorm“ und dankt ihm für seine „hervorragende Arbeit“. Um gleichzeitig das Ende der Zusammenarbeit anzukündigen. Das Branchenportal Meedia berichtet unterdessen, dass hinter den Kulissen mit Verweis auf den stetigen Auflagenrückgang gegen Quoos intrigiert worden sei. Meedia mutmaßt, die Herausgeber hätten ihren Einfluss geltend gemacht. Möglicherweise haben sich Verlagschef Hubert Burda und die Herausgeber tatsächlich ein ehemaliges Ziehkind an der Spitze ihres Magazins gewünscht: Ulrich Reitz war von der Gründung 1992 bis 1997 Leiter des Bonner Redaktionsbüros des „Focus“, wurde bereits mehrfach als Kandidat für die Chefredaktion gehandelt.

Laut dem Branchenportal „Horizont“ genießt Reitz bereits seit seiner ersten Zeit beim „Focus“ die Wertschätzung von Hubert Burda. Und das Medienmagazin „Zapp“ des NDR berichtet, der neue Chefredakteur sei wiederholt beim Patriarchen Burda vorstellig geworden, um sich als Nachfolger für Quoos zu empfehlen. Dazu passt auch die Begrüßung des neuen Chefredakteurs durch Vorstand Welte. Der bescheinigt ihm, er trage die „‚Focus‘-DNA“ in sich und finde „beste Bedingungen vor“.