David Safiers „28 Tage lang“ erzählt fesselnd vom Getto

Es gibt nur zwei große Themen in der Literatur, die Liebe und den Tod, heißt es. Aber selbst wenn es um den Tod geht, gibt es Ausnahmemomente, die das Thema noch einmal größer machen. Das Warschauer Getto beispielsweise, das die Nazis 1940 im Zentrum der polnischen Stadt für rund 500.000 jüdische Bewohner auf engstem Raum errichteten. Und von dem aus von 1942 an die Juden systematisch in die Vernichtungslager deportiert wurden.

David Safier schildert in seinem Roman „28 Tage lang“ den Widerstand der Juden im Warschauer Getto aus der Sicht eines 15-jährigen Mädchens. Mira wird mit ihrer Mutter und ihrer zwölfjährigen Schwester ins Getto verschleppt. Der Vater begeht Selbstmord. Mira strampelt sich ab, um die Familie durchzubringen. Gegen den Hunger schmuggelt sie Lebensmittel von außerhalb des Gettos. Sie erlebt Momente von Leid und Liebe, sie kämpft; und als sie hört, dass alle Gettobewohner getötet werden sollen, schließt sie sich dem Widerstand an. Safier ist ein packender, lebendiger, fesselnder Roman gelungen, in dem die Gefahr und die Liebe, die permanente Bedrohung mit dem Tod im Mittelpunkt stehen.

Ebenso wie die Frage: „Was für ein Mensch willst du sein?“ Die wiederkehrende Frage ist das Leitmotiv des Romans, und als Mira sie zum ersten Mal gestellt bekommt, antwortet sie: „Einer, der überlebt.“ Einer, der alles dafür tut, weiter zu leben. Und so werden im Verlauf der Geschichte auch immer wieder moralische Entscheidungen getroffen.

Davis Safier ist Bestseller-Autor. Von seinen Büchern „Mieses Karma“, „Jesus liebt mich“, „Muh“ oder „Happy Family“ wurden weltweit knapp fünf Millionen Exemplare verkauft. Safier, der als Journalist für Hörfunk und Fernsehen gearbeitet hat, der Drehbücher für die TV-Serien „Nikola“, „Himmel und Erde“, „Die Camper“, „Die Schule am See" sowie für „Mein Leben und ich“ schrieb, hat die Sitcom „Berlin, Berlin“ entwickelt, für die er mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Auch den US-amerikanischen Fernsehpreis Emmy hat er bereits.

„28 Tage lang“ ist nun ein ganz anderes Buch. Ein ernsthaftes, das aber auch durch seine bildhaft gestalteten Situationen, seine Szenenwechsel, den actionreichen Plot und die lebendigen Dialoge lebt. „Ich wollte die Geschichte schon vor 20 Jahren schreiben“, sagt der Schriftsteller. „Mich beschäftigt die Frage, wozu Menschen fähig sind, im Guten wie im Bösen.“ Das Buch ist seit Wochen auf den Bestsellerlisten und hat sich schon 80.000-mal verkauft.

Safiers Geschichte vom Widerstand im Warschauer Getto ist auch deshalb so fesselnd, weil sie sich an die historischen Fakten hält (die ja unvorstellbarer sind, als man es sich ausdenken könnte), in ihr Zentrum aber fiktionale Menschen stellt, die sich bestens als Identifikationsfiguren eignen. „So bekommen die Leser eine emotionale Sicht auf das Geschehen“, sagt David Safier. Der „Titanic“-Film oder die TV–Serie „Holocaust“ waren so aufgebaut, dass die Helden in diesen Dramen alles erlebten, was man erleben konnte. Nach diesem Muster verfährt auch Safier, wenn er Hunger, Kälte, Krankheiten, Bedrohung, Verrat, Erschießungen aber auch Nächstenliebe, Fürsorge und Freundschaft in seinem Romanplot abhandelt. Safier weiß aus jahrelanger Erfahrung , wie man Leser oder Zuschauer fesseln kann.

„Ich überlege mir sehr genau, was ich beschreiben muss, damit die Leser sich in die Situation hineindenken können“, erklärt er auf Nachfrage. „Was brauchen die Leser für die Geschichte? Das versuche ich temporeich in der Handlung zu verdichten. Ich erzähle nicht sehr detailliert. Vieles sehen die Leser schon vor Augen, wenn man es nur anreißt.“ Natürlich ist das willkürliche Morden, das die Deutschen im Getto betreiben, kein erbauliches Romanthema. Safier gelingt es aber, seine Leser emotional so zu packen, dass man Wut und Rache, Fassungslosigkeit und Verzweiflung durchlebt und wider besseres Wissen hofft, alles möge doch noch gut ausgehen. Dass man sich vollen Herzens auf die Seite des Widerstandes schlägt. Eine spannende Lektüre, für die Safier zwei Fassungen geschrieben hat, eine für Erwachsene und eine für Jugendliche. Mit dieser liest er auch in Schulen.

David Safier ist als Autor, der vor allem Komik kann, bekannt geworden: „Das Schwierige bei Komik ist, dass es meist nur eine richtige Lösung für eine Situation gibt. Andernfalls wird sie nicht komisch. Beschreibt man aber Emotionen oder historische Ereignisse, gibt es viel mehr zu sagen. Es ist eigentlich leichter zu schreiben.“ Auch wenn das tragische Thema der Massenvernichtung mehr als schwer zu beschreiben sein dürfte. David Safier hat es meisterhaft gelöst. Bis zum Schluss; Safier bricht im genau richtigen Moment ab. Er lässt uns im Ungewissen. Auch wenn wir Leser natürlich wissen, wie es ausgehen wird.

David Safier 10.9., 21 Uhr, St. Katharinen, Karten: 15 €, 11.9., 11 Uhr, nur für Schulklassen ab 13 Jahren, Gruner+Jahr Pressehaus, 4 € pro Person. Den Autor können Sie auch zu einer Lesung an Ihre Schule einladen.