Wer heute eine Sendung verpasst oder noch einmal sehen möchte, wird in den Mediatheken meist fündig

Hamburg. Die „Tagesthemen“ beim Frühstückskaffee gucken, die spannende Doku, die mal wieder erst um kurz vor Mitternacht über den Schirm flimmerte, in die Mittagspause verlegen und die verpasste Folge der Lieblingsserie dann nachholen, wenn ohnehin nichts Interessanteres läuft? Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte man für solche Unterfangen zumindest gefühlt ein abgeschlossenes Ingenieursstudium gebraucht.

Videorekorder waren lange Zeit die einzige Möglichkeit, aus dem festen Programmschema der Sender auszubrechen. Sie aber dazu zu überreden, dass sie tatsächlich das Gewünschte aufzeichneten, in voller Länge noch dazu, das war – freundlich formuliert – anspruchsvoll. Mit dem Einzug der DVD- und Festplattenrekorder wurde zumindest das Medium etwas komfortabler, die Nutzerfreundlichkeit ließ aber weiterhin gern einmal zu wünschen übrig. Außerdem musste man sich nach wie vor daran erinnern, dass etwas läuft, was man gern sehen würde, bevor es ausgestrahlt wurde: „Wie, das kam gestern? Mist!“ Zum Glück schreiben wir mittlerweile das 21. Jahrhundert. Und zu dessen Annehmlichkeiten gehören die umfangreichen Mediatheken der Fernsehsender.

Für diese benötigt man lediglich einen leidlich schnellen Internetzugang. Von Smartphone und Tablet-PC, Set-Top-Boxen und Streamingsticks bis hin zum modernen Smart TV bieten fast alle modernen technologischen Annehmlichkeiten die Möglichkeit, auf weite Teile des TV-Programms ganz ohne Antennenstecker oder Satellitenschüssel zuzugreifen. Was bei der Einführung vermutlich eher als zusätzliche Werbeplattform für das klassische Fernsehprogramm gedacht war, hat sich inzwischen zu einer gern genutzten Möglichkeit für den Zuschauer entwickelt, sich sein eigenes Fernsehprogramm zusammenzustellen, ohne seinen Terminkalender dem Programmschema anpassen zu müssen.

Besonders die öffentlich-rechtlichen Sender punkten mit einem breit gefächerten Angebot, das von Nachrichtensendungen über Dokumentationen bis zu Fernsehfilmen und -serien reicht. Die private Konkurrenz setzt derweil besonders auf beliebte Sitcoms, Unterhaltungssendungen und Zusatzinhalte zu TV-Events wie den nicht tot zu kriegenden Castingshows. Dazu gesellen sich Livestreams des aktuell laufenden Programms, Zusatzinformationen, Links und natürlich die Möglichkeit, die Videos über die sozialen Netzwerke mit Freunden, Bekannten und Followern zu teilen.

Ganz ersetzen werden die Online-Angebote das klassische TV-Programm aber auf keinen Fall, zumindest nicht mittelfristig gesehen. Je mehr Nutzer zugreifen, desto mehr müssen die Sender in die technische Infrastruktur investieren. Außerdem steht zwar in wohl nahezu jedem Haushalt ein Fernseher. Schnelle Internetzugänge, wie man sie für die Übertragung von hochauflösenden Videos benötigt, sind in ländlichen Gegenden aber immer noch Mangelware. Zudem kommen bei der Ausstrahlung im Netz weitere rechtliche Vorschriften hinzu. Das hat zur Folge, dass einige Sendungen als komplette Folgen, andere nur in thematisch abgepackten Videoschnipseln und einige schlichtweg gar nicht verfügbar sind: Spielfilme werden von den öffentlich-rechtlichen Mediatheken im Normalfall nur angeboten, wenn es sich um Eigenproduktionen handelt. Denn der Rundfunkstaatsvertrag verbietet es, eingekaufte Filme und Serien in den sogenannten Telemedien anzubieten.

Bei Dokumentationen, die mit Archivmaterial arbeiten, kann es vorkommen, dass für dieses nur das Recht zur Fernsehausstrahlung vorliegt, schon Hintergrundmusik kann ein Ausschlusskriterium darstellen, da zusätzliche Lizenzgebühren anfallen würden. Ähnliches gilt für Sportberichterstattung, gerade, wenn es um den Profifußball geht. Außerdem haben sich die Bundesländer vor fünfeinhalb Jahren darauf geeinigt, dass alle Sendungen, die keinen zeit- oder kulturgeschichtlichen Inhalt haben, nur für begrenzte Zeit online zur Verfügung gestellt werden dürfen. Nach sieben Tagen müssen sie grundsätzlich gelöscht werden. Ein längeres Zeigen ist möglich, bedarf aber eines aufwendigen Genehmigungsverfahrens. Das könnte sich in näherer Zukunft ändern, Bundes- und Landespolitiker sprechen sich für die Abschaffung der Regel aus.

Die private Konkurrenz könnte bereits jetzt offener agieren, für sie gelten jene vergleichsweise restriktiven Regeln des Rundfunkstaatsvertrages nicht. Natürlich müssen auch sie sich bei eingekauften Produktionen an Lizenzbestimmungen halten, auch die Urheberrechtsbestimmungen gelten für sie. Die Sieben-Tage-Regel hingegen nicht. Aber im Unterschied zum gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Fernsehen dürfen und möchten ProSieben, RTL und Co. mit ihren Angeboten Geld verdienen. Dementsprechend stolpert man in deren Angeboten oftmals über kostenpflichtige Zusatzdienste oder den Abruf von Filmen gegen Gebühr. Und quotenträchtige Eigenproduktionen oder Serieneinkäufe, sie verschwinden ebenfalls nach kurzer Zeit wieder aus dem frei verfügbaren Netzprogramm.

Aber allen rechtlichen und sonstigen Einschränkungen zum Trotz: Die Mediatheken – egal, ob öffentlich-rechtlich oder privat – sie sind längst mehr als nur eine Werbeplattform, die dazu verleitet, den Fernseher einzuschalten. Sie sind zu einem Zusatzangebot geworden, das zeigt, wie das Fernsehen sich zukunftssicher aufstellen kann, abseits der klassischen technischen Übertragungswege. Mit Flexibilität und mit Mehrwert für den Zuschauer. Und dank der zunehmenden Verschmelzung von Internet und Fernsehen auf modernen Geräten werden sich diese Angebote eher noch ausdehnen.