Die ARD zeigt am Mittwoch mit dem Politdrama „Männertreu“ von Regisseurin Hermine Huntgeburth einen der besten Filme des Jahres

„Fragen Sie sich endlich, wann letztmals ein Politiker in Deutschland wegen einer Fehlentscheidung bei einem relevanten politischen Thema zurücktreten musste und nicht wegen persönlicher Fehlleistungen“, fordert Georg Sahl (Matthias Brandt), Zeitungsverleger, von seiner Redaktion.

„Männertreu“ legt den Finger mitten in die Wunden der Affären um Christian Wulff, Annette Schavan oder Karl-Theodor zu Guttenberg, in denen sich Journalisten zu Tugendwächtern aufschwangen. Regisseurin Hermine Huntgeburth verdichtet das Spiel um die (Deutungs-)Macht zu einem provokanten und brisanten Drama.

Georg Sahl hat es mit der Treue nie genau genommen. Seit 35 Jahren ist er mit einer Scheidungsanwältin (Suzanne von Borsody) verheiratet, die seine Affären toleriert. Sehr zum Ärger von Sohn Thomas (Maxim Mehmet), der finanziell von den Eltern abhängig ist.

Die Familienwelt gerät aus den Fugen, als Georg Sahl als Kandidat für das Bundespräsidentenamt ins Spiel gebracht wird. Die Kanzlerin ist mit dem Mann ohne Stallgeruch, der dafür als moralische Instanz gilt, einverstanden. Seine Familie hingegen ist nicht begeistert. Doch bevor sie eine Entscheidung treffen kann, sickert die Nachricht von Sahls Ambitionen in die Medien durch. Sahl bestätigt die Gerüchte in einer Talkshow, mit der Moderatorin steigt er nach der Sendung ins Bett. Im Hotelzimmer erwartet ihn seine Geliebte, die Volontärin aus seinem Verlag. Wütend verlässt sie das Hotel und wird bei einem Autounfall schwer verletzt. Die Zeitungen schlachten den Unfall am folgenden Tag aus. In die Familie Sahl kommt Bewegung. Verdrängtes steht plötzlich auf der Agenda.

Der Film konzentriert sich auf die Frage, welche Rolle Individualität und Integrität im Politikbetrieb noch spielen können. Da ist der umtriebige Verleger, der sich für die Bewahrung des Qualitätsjournalismus einsetzt und auf Journalisten trifft, die für eine Nachricht über Leichen gehen würden. Da ist die Anwältin, die ihren Beruf nicht für Repräsentation im Schloss Bellevue aufgeben will. Und da ist der finanziell abhängige Sohn, der sich trotzdem selbst verwirklichen möchte.

Sahl eignet sich nicht für ein politisches Amt, in dem Stromlinienförmigkeit und Anpassung gefragt sind. Huntgeburth ist mit der Besetzung von Matthias Brandt ein Kunstgriff gelungen. Der Sohn von Willy Brandt kennt die familiären Einschränkungen durch ein politisches Amt genau. Vor allem könnte sein Vater, der Affären hatte – über die die Presse informiert war, aber nie die Öffentlichkeit informierte –, heute wohl nicht mehr Bundeskanzler werden.

„Männertreu“ hinterfragt den hysterischen Journalismus, der Schlagzeilen nicht mehr gegen ihre inhaltliche Relevanz abwägt. Hervorragende Dialoge über das Spiel mit der Macht wechseln dabei mit stillen Momenten, in denen sich die Gefühle der Figuren nur auf den Gesichtern des Schauspielerensembles um Matthias Brandt und Suzanne von Borsody spiegeln. Auch dies macht „Männertreu“ zu einem der besten Filme des Jahres.

„Männertreu“, heute 20.15 Uhr, ARD