Im sehenswerten Ehe-Drama „Zwei allein“ mit Elmar Wepper und Gundi Ellert tun sich Abgründe auf. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der mit der Krebserkrankung seiner Frau nicht fertig wird.

Hamburg. Es gibt so Filme, da weiß man nach fünf Minuten: Das wird was. Hier bin ich richtig. „Zwei allein“ von Regisseur Stephan Wagner („Der Fall Jakob von Metzler“, „Mord in Eberswalde“) und Krimiautor Friedrich Ani ist so einer. Da fahren Benedikt und Henriette in einem leeren Linienbus durch das nächtlich leere München, „Bene“ sitzt am Steuer, er ist Busfahrer von Beruf, aber das hier ist keine Linienfahrt, das ist eine Liebesfahrt.

Henri hängt an seinem Hals, kichert, meint, sie hätte das zweite Bier nicht trinken sollen; Bene grinst und rast und kurvt durch die Straßen – und als das Blaulicht hinter ihnen blinkt, da lachen beide, „Die schon wieder!“, Bene drückt aufs Gaspedal, biegt schnell in eine Seitenstraße, tritt voll auf die Bremse, Licht aus, Motor aus, Stille. Im Hintergrund fährt das Polizeiauto vorbei. Da prusten sie los, jetzt gibt es wieder nur sie, Bene und Henri, der Busfahrer und die Schuhverkäuferin, zwei, die es mit der ganzen Welt aufnehmen könnten, wenn sie nur wollen.

Es könnte den Rest des Films um diese junge alte Ehepaar gehen, gespielt von Elmar Wepper und Gundi Ellert, die so gar nichts von einer typischen graumelierten Fernseh-Ehe „in den besten Jahren“ haben, und noch weniger vom Klischee eines romantischen Liebespaars. Deren Vertrautheit nicht inszeniert werden muss, die einfach nur ganz da sind, in ihrem entspannten Biergarten-Picknick-Isarspaziergangs-Glück, und man würde ihnen mit Freuden zusehen wollen. Aber wenige Minuten später ist Henri tot, erschossen von einem Raubmörder im Park.

Bilder sagen mehr als tausend Worte

Und dann gibt es gleich noch eine grandiose Szene, in der ein Münchner Linienbus mehr sagt als tausend Worte: Bene geht wie gewohnt zur Arbeit, setzt sich wie gewohnt auf seinen Fahrersitz – und dann übernimmt die Verzweiflung das Steuer, die Wut drückt aufs Gaspedal, fährt an Haltestellen mit wartenden Passagieren einfach vorbei, ignoriert rote Ampeln und rast über Straßenkreuzungen. Denn die Welt und die anderen, die sind nicht mehr einfach nur egal wie zuvor, als es die traute Zweisamkeit noch gab, die sind jetzt ein Affront, ein Hohn auf Benes Einsamkeit. Diesmal kriegt ihn die Polizei. Für einen Moment jedenfalls. Mit Autoritäten hat der brave Bene es nicht so, wie Henris unkonventionellere Schwester Linda (Johanna Bittenbinder) einmal nicht ohne Erstaunen feststellt.

Wie das in guten Filmen ist, erzählen hier die Bildern all das von der Geschichte, was Sätze sonst nur kaputtplappern würden. Der Kamera von Thomas Benesch, zuständig schon für „Mord in Eberswalde“ und „Jakob von Metzler“ sowie diverse „Tatort“- und „Polizeiruf“-Folgen, führt den Blick mit einer Ruhe, die ganz unruhig macht, weil sich sofort die Ahnung einstellt, dass hier nicht alles so ist wie es scheint. Und München wird gleich von Anfang an zurechtgerückt: So normal sieht die bayerische Schunkelstadt selten aus. Und dann diese ganzen Kirchtürme, die plötzlich überall in den Himmel ragen. Gar nicht pittoresk sind die, gar nicht beschaulich und beruhigend. Sondern bedrohlich.

Und dann stellt sich plötzlich heraus, dass Henri Krebs hatte. Und dass Bene nicht fertig wurde mit ihren Schmerzen, ihrer resoluten Schwester, ihrem neu gefunden Glauben an Gott. Dass Bene und Henri womöglich nicht ganz freiwillig „zwei allein“ waren, sondern Bene darauf bestand, sich daran klammerte. Verbissene Zweisamkeit aber verträgt sich nicht mit Unruhestiftern wie Henris Schwester und deren Pfarrer (Rufus Beck), zu dem Linda Henri mitnimmt, als die mit ihrem Schicksal hadert. Zumal sich außerdem herausstellt, dass ihr Eheglück offenbar zu groß ist, um sich mit einem drohenden Ende auseinandersetzen zu können. Oder zu wollen.

Tolle Schauspieler trösten in diesem ungewöhnlichen Ehedrama darüber hinweg, dass es gegen Ende immer plakativer zugeht.

„Zwei allein“ Fr 20.15 Uhr, Arte